Die Religion im Blickfeld von Wissenschaft und Humanismus

Über dieses Thema ist bis heute viel gesagt und geschrieben worden. Hier eine Synopsis:

Schon in der Antike und bis heute gibt es einige Gelehrte, die die Notwendigkeit, die Funktion und die Existenz von Gott und Religion nicht nur vehement verneinen, sondern auch vehement ablehnen. Einige Beispiele:

Xenophanes aus Kolophon (570–476 v.Chr.), Epikur (341–270v.Chr),Lukrez (98–55 v.Chr.),René Descartes (1596–1650),David Hume (1711–1776), Auguste Comte (1798–1857), Karl Marx (1818–1883), Richard Dawkin (*1941), Stephen Hawking (*1942) usw.

Außerdem vertreten einige von ihnen die Meinung, dass Szientismus dem Glauben und der Religion überlegen ist!

Diesen Skeptikern seien nun epigrammatische Bemerkungen einiger Nobelpreisträger aus der Wissenschaft gegenübergestellt:

Sir Charles Darwin (1809–1895):
Ich habe niemals die Existenz Gottes verneint.

Max Planck (1858–1947, Nobelpreis 1918):
Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller Überlegungen.

Albert Einstein (1879–1955, Nobelpreis 1921):
Naturwissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Naturwissenschaft ist blind.

Werner Heisenberg (1901–1976, Nobelpreis 1932):
a.) Die Quantentheorie ist so ein wunderbares Beispiel dafür, dass man einen Sachverhalt in völliger Klarheit verstanden haben kann und gleichzeitig doch weiß, dass man nur in Bildern und Gleichnissen von ihm reden kann.

b.) Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch. Aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.

Erwin Schrödinger (1887–1961, Nobelpreis 1933):
Die Aufbauelemente des Lebendigen sind kein plumpes Menschenwerk, sondern das feinste Meisterstück,das jemals nach den Leitprinzipien von Gottes Quantenmechanik vollendet wurde.

Max Born (1882–1970, Nobelpreis 1954):
Der Tanz der Atome,der Elektronen und Atomkerne obliegt trotz seiner Wildheit Gottes ewigen Gesetzen.

Hans-Peter Dürr (*1929, Träger des Alternativen Nobelpreises 1987):
Die Welt des Mikrokosmos ist kein Abbild der sichtbaren und greifbaren Welt. Atome sind nicht winzige Materieteilchen und folgen auch nicht den klassischen Regeln der Materie. Sie haben einen ganz anderen Charakter. Diese Erkenntnis hat den Physikern im 20.Jahrhundert einen großen Schock versetzt, wodurch das Gespräch mit den Theologen wieder gesucht und begrüßt wurde(aus Vorwort: September 1996). (6)

Obwohl Bertrand Russell (1872–1970) betont, dass eine wissenschaftliche Konzeption keinerlei Wertvorstellungbeinhalten darf wie: die Liebe ist besser als der Hass, oder: Mitleid und Güte sind wünschenswerter als Grausamkeit, bekunden die genannten epochalen Wissenschaftler doch die Omnipräsenz einer subtilen Kraft, einer Logik, eines allumfassenden Geistes! (7)

Außerdem deuten diese berühmten Persönlichkeiten, direkt oder indirekt auf folgende Aspekte hin: erstens hat die Religion als Ausdruck bloßer Obrigkeitsgläubigkeit und als Machtinstitution ausgedient; zweitens sollte die muffige Hypothek zeremonieller Äußerlichkeiten wie Riten, Rituale, Dogmen und Diktate, Talar und Tiara als obsolet und absurd abgeschafft werden; drittens ist das Postulat der Stunde eine neue Orientierung von Gott als ultimativer Realität.

Die Wissenschaft liefert uns durch Analysen und Gleichungen Kenntnisse über Fakten und Phänomene, die Religion zielt jedoch auf den Urgrund, den Ursprung. Alle Fakten und Phänomäne sind Manifestationen der religiösen Wahrheiten. Das bedeutet, durch das Eindringen in die tiefen Ebenen der menschlichen Spiritualität offenbart die wahre Religion eine Wahrheit, eine Realität, die den Urgrund aller innerlichen und äußerlichen Aspekte des Lebens darstellt. Kurz gesagt, sie ist bestrebt herauszustellen, dass das gesamte Universum lediglich mannigfaltige Manifestation der Unendlichkeit ist und Ausdruck der ultimativen Wahrheit, auch Param Brahma (skt) genannt.

Als das radikal heliozentrische Weltbild, wie es von Nikolaus Kopernikus (1473–1543), Galileo Galilei (1564–1642), Giordano Bruno (1548–1600) entwickelt wurde, die stringent-dogmatische Vorstellung der Welt-Anatomie zu Fall brachte und einige Jahrhunderte später Sir Charles Darwin (1809–1882) seine Evolutionstheorie vorstellte, begann zwangsläufig ein Umdenken und es bildete sich eine kritische Haltung gegenüber der christlichen Lehre heraus. Die Naturwissenschaft begann zu erstarken und sich stetig zu emanzipieren.

Die intellektuelle Annäherung an die kognitive Realität und die unzähligen Entdeckungen, Erfindungen und sonstigen Erkenntnisse, die uns erlauben, unser Leben so angenehm zu gestalten, werden geschaffen und gesichert durch die Naturwissenschaften, die eine herausragende Position und bewunderungswürdige Stellung in der Gesellschaftinnehaben. Aber die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ziehen auch viele neue Forschungsfragen nach sich: Was ist eigentlich unter den Elementarkräften zu verstehen, was ist dunkle Materie – dunkle Energie; existieren die Higgs-Teilchen nur einzeln oder treten sie gehäuft auf, welche Struktur haben sie; woher kommt das Higgs-Feld; gibt es eine kosmische Feinabstimmung, also eine Gesetzmäßigkeit, die die Schöpfung ausgerechnet auf unserer Erde erst ermöglicht hat; was sind die Eigenschaften des Quantenvakuums etc., etc.

Zunehmend erkennen wir zwei fundamentale Fakten:

a) „Unser Wissen von heute ist der Irrtum von gestern“, und unser Wissen war/ist/bleibt immer nur ein Fragment.

b) Es spricht vieles dafür, dass es eine „Supreme Intelligenz“ hinter unserem Wissensvorhang gibt.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass bereits ca. 1200 v. Chr. in der von den arischen Weisen Indiens verfassten „Kapil-Shankhya-Philosophie“ die Rede davon ist, dass die gesamte Schöpfung auf ca. 60–70 „Mula-Bhutas“, also rudimentären Elementen, basiert. Unser periodisches System enthält zur Zeit 112 Elemente. Außerdem berichten die indischen Puranas (ca. 200 v. Chr.), dass es im Zuge der Evolution vom Fisch (skt. Jalachara) bis hin zu den Hominiden (skt. Manaba) ca. 80,4 Millionen Mutationen gegeben haben soll!

Das Bedürfnis der Menschen nach dem Spirituellen und nach moralischen Werten in ihrem Leben sowie die Entwicklung ihres Denkens hin zu einer Tiefe des Bewusstseins, die ihnen ermöglicht, die Gegenwart des all-durchdringenden Bewusstseins in sich selbst zu erkennen und erleben, inspiriert nun den wissenschaftlich gesinnten Verstand, einen gangbaren Weg zu finden, der der Menschheit auch unter Berücksichtigung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ein harmonisches, hoffnungsvolles, furioses und friedliches Refugium eröffnet. Als Denkansatz einer Koexistenz von Spiritualität und Naturwissenschaft schlägt der bekannte Theologe Hans Küng (*1928) ein „Komplimentärmodell“ vor.

Am Horizont erscheint auch ein Schwall von Aspekten, wie die praktische Vernunft (I. Kant), das autonome Selbstbewusstsein des Individuums (René Descartes), der Höchst-Geist, der für die Weltvernunft zuständig ist (G. W. F. Hegel), das Ich-Bewusstsein (J. G. Fichte), ein strafender Gott, der mit erhobenem Zeigefinger als Garant für soziales und moralisches Leben tätig ist (Voltaire), die religionsunabhängige Selbstbestimmung des Menschen (F. Nietzsche) und viele mehr.

Gewiss, der Humanismus ist recht komplex und meint nicht nur „Humanität“ im Kontext von Empathie und Barmherzigkeit, sondern ebenso auch persönliche Bildung, Lebensoptimismus, ein gesundes Selbstwertgefühl und Wertschätzung der eigenen Person sowie des Mitmenschen – also eine anthropozentrische Ethik. Ein Ansatz des humanistischen Gedankens in Europa ist bereits beim Athener Sophisten Protagoras (490–411 v.Chr.) zu finden: Er fordert „homo mensura“, was übersetzt werden kann mit: „der Mensch ist das Maß aller Dinge“.

Aristoteles (384–322 v.Chr.) spricht von „Eudämonie“ –: umfassende/tiefgreifende Glückseligkeit. Glückseligkeit sei nur durch konsequentes ethisches Verhalten erreichbar und sollte das ultimative Ziel des Menschen sein. Als Ergänzung fügt Platon (427–347 v.Chr.) hinzu, dass die Eudämonie „eine qualifizierte Lebensführung auf dem Prinzip der Gerechtigkeit mit inhärenter Wachstumspotenz“ ist.

Das Eudämonie-Konzept, dieses Vermächtnis der griechischen Antike, erlebte eine erste Renaissance unter den Philosophen des Römischen Reiches. Eine zweite folgte Jahrhunderte später im Zuge der Epoche gleichen Namens, die in Florenz ihren Anfang nahm.

Römische Philosophen wie beispielsweise Lucius Annaeus Seneca (4–65 n. Chr.) und Marc Aurel (121–180 n. Chr.) waren Anhänger der stoischen Philosophie und vertraten die Überzeugung, dass ein ethisches und soziales Verhalten den Menschen dazu verhelfen kann, den Verwicklungen und Erfahrungen im Leben mit „stoischem Gleichmut“ zu begegnen.

Die zweite Renaissance der Ideen der griechischen Antike nahm ihren Anfang als Protestbewegung, geleitet von den Philosophen bzw. Schriftstellern Francesco Petrarca (1304–1374), Marsilio Ficino (1433–1499) und Pico della Mirandola (1463–1494) primär als Antwort auf die Hegemonie und Dogmen der semitischen Religion. Dazu beklagte der Humanist Erasmus von Rotterdam (1469–1536): „Der Mensch ist nicht ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlorenes, ein sündiges, ein verächtliches Wesen.“ Was für ein Menschenbild seiner Zeit dokumentiert Erasmus von Rotterdams Zitat! Im Zeitalter der Aufklärung, das ab etwa 1700 datiert wird, schrieb man sich auf die Fahne, dem „eigenen Verstand“ zu folgen, und versuchte so, auf der Grundlage der menschlichen Vernunft und des Verstandes, auf die aufgestauten Fragen der vorigen Jahrhunderte logisch-rationale Antworten zu finden. Bildung und Wissen galten als absolut notwendig zur Schärfung der Vernunft und des Verstandes, nicht nur, um die überlieferten Vorstellungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, sie revidieren oder gar verwerfen zu können, sondern auch, um die Wertigkeit des Individuums sowie die Bedeutung der Humangesellschaft beurteilen und einschätzen zu können. Dazu beigetragen haben z.B. der französische Philosoph René Descartes (1596–1650), der Schotte David Hume (1711–1776), und der Brite John Locke (1632–1704). Vom bedeutendsten Philosophen der Aufklärung im deutschen Sprachraum, Immanuel Kant (1724–1804), stammt folgender Satz, der die Grundidee der Aufklärung zusammenfasst: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“

Später gab es auch eine radikalere Form des Humanismus, wie er beispielsweise von Karl Marx (1818–1883) oder Jean-Paul Sartre (1905–1980) vertreten wurde, desgleichen Gegenbewegungen zum Humanismus, beispielsweise vertreten durch Martin Heidegger (1889–1976) oder Michel Foucault (1926–1984).

Seit geraumer Zeit verschwimmen jedoch zunehmend die Grenzen des Humanismus im Hinblick auf Definition, Zielbestimmung und Geltungsumfang und er droht in die Beliebigkeit abzusinken.

Die zeitgemäße Interpretation der klassischen hinduistischen Religionsphilosophie belegt und fordert im Kern nicht nur die Kultivierung von Selbsterkenntnis, das individuelle Selbstbewusstsein, die Integration von Ethik bzw. Moral, Vernunft und Verstand sowie nicht zuletzt umfassende Humanität und Humanismus, sondern sie betont auch die ultimative Selbstverwirklichung als obligatorische Voraussetzung! Selbstbewusstsein erhöht die eigene Standfestigkeit; Ethik, Moral, Verstand und Vernunft bereichern die eigenen Wertevorstellungen. Es gibt also keine Erbsünde-Hypothek oder Vertreibung aus dem Gottesgarten! Deshalb rief der indo-arische Weise in der Svetasvatara-Upanishad II/5 (ca. 2.400 v.Chr.):

Srnvantu Visve Amritasya Putra…“

(Frei übersetzt: „ Hört mir zu, ihr Kinder der Unsterblichkeit…“)

Im Einklang mit dieser Aufforderung und der innewohnenden Zuversicht sagt der große indische Erleuchtete des 19. Jahrhunderts, Swami Vivekananda: „Wer nicht an sich glaubt, ist ein Atheist. Du kannst nicht an Gott glauben, wenn du nicht an dich selbst glaubst.“ (8)

Das alles bedeutet also, dass der Mensch es ist, der im Mittelpunkt steht, und dass die Religion die Aufgabe hat, der Menschheit zu dienen. Deshalb heißt „Religion“ in Sanskrit so treffend „Dharma“, bestehend aus dem Präfix „Dhri“ (tragen) und dem Wortstamm „Man“ (Mensch).

Das Sanskrit-Wort beschreibt also, vergleichbar dem Eudämonie-Konzept von Aristoteles, die Fähigkeit des Menschen zu einem permanenten moralischen und ethischen Wachstum und formuliert dieses als seine vorrangige Lebensaufgabe. Jesus Christus hat keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Aber sein Zeitgenosse, der Politiker und Philosoph Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr.–65 n. Chr.) schrieb an seinen Freund Lucilius: „Mache dich selbst glücklich. Das wird dir gelingen, wenn du erkannt hast, dass alle wahren Werte eng mit der sittlichen Vollkommenheit zusammenhängen, und dass schimpflich ist, was mit einer schlechten Denk- und Handlungsweise verbunden ist.“ (Dr. Phil. Matthias Jung über Seneca). (9)

Die erste Stufe des Ashtanga-Yoga-Sutra (Lehrsatz des achtgliedrigen Yoga), das auf den indo-arischen Grammatiker und Maha-Muni Patanjali (ca. 2. Jh. v. Chr.) zurückgeht, lautet: (skt.) Yama. Darunter wird die Integration ethisch-moralischer Grundsätze im Leben verstanden!

Es ist evident, dass sich die Religion nicht mehr auf die Verehrung und Anbetung von Gott als reine Transzendenz beschränkt, sondern zu einem verlässlichen Wegweiser wird, damit sich der Mensch seiner Würde bewusst wird und entsprechend leben und handeln kann. Denn du bist als Mensch als spirituelles Wesen immer frei und du verkörperst das alldurchdringende Bewusstsein. Diese angeborene universale Freiheit geht verloren, sobald die doktrinären Diktate deines engeren und weiteren Umfeldes sowie der Gesellschaft dich vereinnahmen. Dann findet gewissermaßen eine Metamorphose deiner Persönlichkeit statt. Du wirst immer kleiner, wirst ein Sklave der morbiden Welt und unvermeidlich verhüllt dich ein Schleier der Unwissenheit, der Unkenntnis über deine eigentliche göttliche Bestimmung, deine wahre Identität.

Hindu-Dharma fängt dich sicher auf, umgibt dich mit Zuversicht und hilft dir, einen inneren Freiraum zu schaffen, damit du dir Schritt für Schritt deiner reinen Natur bewusst werden kannst. Du erkennst, dass du selbst die Manifestation des Göttlichen bist, vollkommen frei im Hinblick auf deine Geltung, deine Gedanken, deinen Glauben. Deshalb unterscheiden sich im modernen Hinduismus Menschenbild und spirituelle Praxis grundlegend von denen traditionsbeladener Religionen. Hindu-Dharma betont ausdrücklich, dass das Absolute (skt.: Param Brahma) sowohl spiritueller Geist als auch Materie ist, sowohl immanent als auch transzendent, eine alles durchdringende Realität; die Verschiedenheit ist nur graduell. Die Vorstellung von Gott oder Göttern ist nun zusammengeschmolzen und neu entworfen, um der heutigen Wertigkeit und Wertschätzung des Menschseins zu entsprechen. Hinduismus ist deshalb das Streben nach Humanwerten. (10)

Die Wahrheit, die Schönheit, die Güte und die Demut sind die edlen Qualitäten des Menschen, und Hinduismus als Religion basiert auf der Verwirklichung dieser ontologisch-relevanten Konvention (11). Ein weiterer zentraler Aspekt des Hinduismus ist die Bewertung der Intuition. In rationaler Interpretation von Fakten bleibt das Subjekt vom Objekt getrennt, aber die Intuition ermöglicht eine unmittelbare Einsicht, indem die Realität sich als Einblendung spontaner Erfahrung offenbart. Das Absolute lässt sich nie durch Logik erreichen, sondern nur durch Intuition, weil sie der synthetische Weg ist, um alle Perspektiven der Realität zu erfassen, ja, die Intuition ist der Widerhall der ultimativen Wirklichkeit!

Nun, alle diese Charakteristika des humanistischen Hinduismus unterstreichen das einheitsstiftende Prinzip, dass die Wissenschaft und die Religion zwei Seiten derselben Medaille repräsentieren. Beide zusammen sind die Organe desselben Organsystems, einem glücklichen Leben dienlich, in Konsens und Kooperation. Die Kombination wissenschaftlichen Intellekts und humanistischer Religion bzw. Spiritualität ist ein essentieller Tatbestand der Gegenwart, denn wissenschaftliche Errungenschaften können nicht durch die Religion erbracht werden; die Wissenschaft ihrerseits ist jedoch nicht wie die Religion in der Lage, in die tiefsten Ebenen des Bewusstseins vorzudringen. Außerdem ist die Wertevorstellung fest im Dharma verankert, außerhalb der Domäne der Naturwissenschaft. Der Hinduismus betont nachdrücklich, du solltest erkennen und realisieren, dass du nicht nur aus deinem Körper (skt. Sthula) und Geist (skt. Suksma), sondern auch aus der unsterblichen Seele (skt. Jiivatma) bestehst! Deshalb bist du auch die Krone der Schöpfung, Träger der ewigen Seele; daher gibt es keine Konflikte zwischen Materie und Geist. Beides sind die Manifestation derselben Realität, mit nur geringem Unterschied.

Eine spezifische Eigenschaft des Hinduismus als „Sanatan Dharma“ (katholische also ewige Religion) basiert nicht auf das Zeugnis von bestimmten Propheten. Die Geschichte zeigt in makabrer Eindeutigkeit, dass die Bezugnahme auf Aussagen und Lehren bestimmter Propheten immer in die Stagnation, Orthodoxie und zu Fehlinterpretationen führt und die Menschen falschen Repräsentanten, sogar dem Missbrauch zum Opfer fallen. Der Hinduismus war, ist und bleibt auch in Zukunft liberal, tolerant und weltoffen, der Hinduismus kennt keine Heiden! Da das Lebensumfeld des Menschen sowie die Gesellschaft immer Veränderungen und Anpassungen unterworfen sind, gibt es in der hinduistischen Religionsphilosophie selbstverständlich Erweiterungs- und Ergänzungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt dies ist ein Zeichen der Lebendigkeit dieser Religion. Aber alle Anpassungen geschehen auf dem unerschütterlichen Fundament des Rig-Veda, denn es ist wie ein majestätischer Baum, wurzelnd in der ultimativen Realität; alle in späteren Zeitepochen auftretenden Errungenschaften sind seine Sprösslinge!