Erscheinung von Nitai

Erscheinung von Nitai (Sri Nityananda)

In den Sommermonaten, also im April/Mai traf Sri Nityananda (genannt Nitai) in Nabadwip ein. Sein Geburtsort war ein Dorf namens Ekchaka, Bezirk Bardwan. Der Bitte eines Mönchs folgend hatte er sein Elternhaus im Alter von 12 Jahren verlassen und war ein Bettelmönch geworden. 20 Jahre lang suchte er hingebungsvoll die spirituelle Begegnung mit Sri Krishna und deshalb war er auch in Sri Krishnas „lila Khetra (Schauplatz) Sribrindanbon“. Dort traf er sich mit Ishwarpuri. Der fragte ihn, was er in dem verwilderten Ort (wegen der muslimischen Restriktion war dieser Ort verlassen und verfallen) wohl suche. Denn Sri Krishna sei nicht mehr hier, sondern in Nabadwip, und sein jetziger Name sei Nimai Pandit. Übrigens, den Namen Nityananda hatte er von seinem spirituellen Lehrer bekommen und er bedeutet „ewige Freude“.

Sofort fuhr er nach Nabadwip. Nach seiner Ankunft suchte er voller Freude und Erwartung das Haus von Nimai. Aber aus welchem Grund auch immer besuchte er stattdessen das Haus von Srinanda Acharya. Der empfing den strahlenden Mönch bereitwillig. Etwa drei bis vier Tage vor der Ankunft von Sri Nityananda in Nabadwip, hatte Nimai die Gemeinde bereits darüber unterrichtet, dass eine eminente Persönlichkeit kommen würde. Am Ankunftstag von Nitai, in den Morgenstunden, sagte Nimai zu den Gläubigern, „Gestern Abend habe ich geträumt, dass die wichtige Persönlichkeit bereits angekommen ist. Man suche ihn und bringe ihn hierher. Ich vermute, er ist die Inkarnation von Sri Balaram (der älteste Bruder von Sri Krishna)“. Kaum hatte er das ausgesprochen, verwandelte sein Antlitz in das von Sri Balaram. Er stieß einen Schrei aus und forderte Wein, die Augen knallrot. Wein gehörte nicht in das Alltagsleben von Vaishnavas. Deshalb erwiderte Sribash leicht irritiert „Herr, woher sollen wir geeigneten Wein besorgen?“ Nimai war sofort wieder er selbst geworden, etwas ungeduldig befahl er, „Such und bring ihn hierher, ich sehne mich nach ihm.“ Daraufhin Murai, Sribash, Mukunda und Narayana – die vier schwärmten aus, um Nitai zu finden. Am Nachmittag kamen sie zurück ohne Nitai, denn er war unauffindbar. Nimai stand auf und sagte „Komm, gehen wir gemeinsam Nitai suchen.“

Alle folgten Nimai und er ging geradewegs zum Haus von Srinanda Acharya. Man sah einen Mönch auf der Veranda sitzend. Stattliche Figur, hellbraun die Hautfarbe, Augen wie Lotusblätter, Alter etwa. 30-32, mit einem blauen Tuch bekleidet, auf dem Kopf einen blauen Turban. Er lächelte vor sich hin. Das war Sri Nityananda!

Nach gegenseitiger Verbeugung standen sich Nimai und Nitai gegenüber.

„… Nimai sah aus wie der Madan (ind. Eros), gekleidet mit einem Seidentuch, einer duftenden Girlande um den Hals, eine goldene Figur, eine strahlend edler Körper umgeben vom Duft wohlriechender Sandedelholzpaste , die Augen voller willkommen heißender Liebe…“

(vide: Chaitanya-Vagavad 16/4).

Nitai sah Nimai an ohne mit den Wimpern zu zucken und war wie gelähmt vor Freude. Tränen rollten über seine Wagen und er war sprachlos. Dann bat Nimai Sribash, die Strophe vorzutragen die seinerzeit Ratnagarbha zitierte und die Sri Krishnas Schönheit beschriebt. Als Nitai die Verse hörte, brach eine Welle aufgestauter Emotionen aus ihm heraus,wie bei einem Dammbruch. Man konnte ihn kaum noch besänftigen. Daraufhin berührte Nimai die Stirn von Nitai und dieser wurde sofort ruhig, und dann nahm Nimai ihn in den Arm und beide vergossen unentwegt Freudentränen. Nun sagte Nimai: „… Heute habe ich verstanden, dass Sri Krishna mich emanzipieren wird, warum hat er sonst so einen glühenden Verehrer wie dich zu mir geschickt? Es ist ein Glück verheißender Tag für mich, weil ich deine geweihten Füße betrachten darf. Die Omnipotenz Krishnas ist inhärent in dir und du vermagst es, alle vier Sphären willentlich zu weihen. Deine Gegenwart ist edel und kostbar. Ich bitte um deine Gnade. Leg Zeugnis ab, dass du barmherzig bist!

Mit einer sehr milden, sanften und höflichen Stimme erwiderte Nitai „Ich habe sämtliche Schreine Sri Krishnas besucht und habe gesehen, dass alle Throne und Altäre verlassen waren. Sri Krishna war abwesend. Ein guter Mensch sagte dann zu meinem Erstaunen, dass Sri Krishna sich mittlerweile in der Stadt Nabadwip befindet. Deshalb bin ich voller Hoffnung hier. Außerdem habe ich gehört, dass hier immerzu die „Hari-Samkirtana“ mit voller Hingabe stattfinden würden. Ich bin mit einem Herzen voller Erwartung gekommen, um die Fügung meines Schicksals zu erleben.“ Nachdem die beiden sich gegenseitig voller Bewunderung und mit deifizierenden Blicken geehrt hatten, sagte Nimai, „Herr, durch Ihren Besuch haben Sie Nabadwip eine Gnade erwiesen und ich bitte Sie aufzustehen…“

Unterwegs in Richtung Sribashs Haus fragte Nimai „Herr, Morgen ist Vollmond. Ein geeigneter Tag für die Verehrung von Vyashdeva (der berühmte Verfasser der Vagavad-Gita,dem Mahabharata-Epos), wo wollen Sie diese nun zelebrieren?“ „Die Anbetung sollte in dem Haus von Sribash stattfinden.“- erwiderte Nitai. Daraufhin wandte sich Nimai an Sribash „Pandit, jetzt hast du diese Last am Hals.“ „Kein Problem.“ antwortete Sribash, „Milch, Ghee, Reis usw. hab ich genug zu Hause…“

Allmählich erreichen sie alle das Haus von Sribash. Es war Abend geworden. Das Haupttor wurde geschlossen. Man fing damit an Samkirtan (Chorgesang) anzustimmen und zu tanzen. Plötzlich fiel Nimai in die göttliche Ekstase und die emotionale Haltung von Balaram. Er lief weg und ging in den Gebetsraum, nahm Platz auf dem Altar und rief: „Bring mir Wein, bring mir Wein. Da kein Alkohol zur Verfügung stand, waren die Verehrer ratlos. Dann hatte Sribash eine Idee. Er füllte Ganges-Wasser in sein Glas und reichte es Nimai. Dieser leerte das Glas und sagte, „Heute empfinde ich unermessliche Freude, denn mein Nityananda ist anwesend, aber wo ist der „Nara“? Er hat mich doch hierher gebracht und nun ist er verschwunden. Das ist unfair.“ Aber niemand kannte „Nara“. Sribash nahm allen Mut zusammen und fragte „Herr, wer ist „Nara“?

Daraufhin antwortete Nimai „Sri Advayta Acharya ist mein „Nara“. Um seinetwegen bin ich als Avatar erschienen. Die allumfassende Liebe zu Gott, die zu erreichen sogar für Brahma ein sehr schwieriges Unterfangen ist, werde ich wohlwollend an die Niedrigsten und Geringsten verschenken.“

Kurze Zeit später fand Nimai wieder in seine Normalität und fragte: „Pandit Sribash, habe ich Unsinn geredet? Ich bin ein einfältiger Junge, bitte verzeihe meine etwaigen Fehler.“

Nitai hatte soeben Nimais Offenbarung, seiner Göttlichkeit erlebt und war von dieser Erfahrung erfüllt und auch überzeugt, dass er nun am Ende seiner sehnsuchtsvollen Reise angekommen war. Eine donnernde Symphonie erscholl in seinem Herzen „Ergo sum qui sum“ (Ich bin der, der ich bin.) Er fing an, seinen Bettelstab (skt. Danda) und seinTrinkgefäß (skt. Kommondolu) zu zerstören.

Am nächsten Morgen fand Sribash Nitai so außer sich vor und informierte Nimai . Unverzüglich kam Nimai und sah den Blick von Nitai auf sich gerichtet, der dabei etwas Unverständliches murmelte. Dann gingen alle zusammen zum Ganges zum Baden und Nimai selbst warf den Bettelstab sowie das Trinkgefäß in die Strömung.

Anschließend erfolgte die Vorbereitung der Vyas-Verehrungszeremonie im Hause von Sribash.

Dieser fungierte selbst als Priester und die Gemeinde sang und tanzte voller Freude und Harmonie. Nach der Beendigung der Anbetung gab Sribash eine geweihte Girlande in die Hände von Nitai und bat ihn, diese Girlande mit entsprechender Mantra-Begleitung Vyasdev zu opfern. Da Nitai zögerte, wiederholte Sribash: „Im Einklang mit dem Ritual-Vorschriften soll, während das Mantra zitiert wird,, die Girlande an Dyader geopfert werden, denn das erfreut Vyasdev und Sri Krishna beglückt uns mit dem Nektar der Liebe.

Nun sprich „Namoh Vyasaya“.

Nitai erwiderte „Hm“.

Sribash sagte ungeduldig „Hm, was ist das? Sprich bitte, Namoh Vyasaya“.

Nitai sagte erneut „Hm“ und mit der Girlande in der Hand schaute er sich suchend um. Verzweifelt rief Sribash den tanzenden Nimai zu sich. Er kam, erkannte die Situation und sagte zu Nitai „Ehrwürdiger zelebrieren Sie die Vyasdev-Verehrung entsprechend….“ Nitai im Liebestaumel Sri Krishnas schwingend sah Nimai vor sich stehend und schmückte dessen Hals mit der Blumengirlande.

Und auf der Stelle geschah ein Mysterium, zeigte sich eine für den Vaishnavismus geschichtsprägende Offenbarung:

Nimai manifestierte sich als sechsarmige Gottesgestalt. In diesem Bildnis des spirituellen Kontexts des Göttlichen ist Nimai noch einmal erschienen, und zwar vor dem Sri Vasudev Sharbabhauma und ein Ebenbild davon hat er für die Nachwelt im Sri Jaga undnnathdeva Tempel verewigt.

Bei diesem Anblick erstarrten die nahestehenden Gläubigen wie gelähmt, sie waren ganz außer sich und entleert von jeglichem Gedanken. Nitai begann vor Freude zu zittern und wurde schließlich ohnmächtig. Daraufhin nahm Nimai wieder seine übliche Gestalt an, ging zu Nitai und streichelte sein Gesicht.

Er kam zu sich. Dann sagte Nimai „Bitte steh auf, sing gemeinsam mit den anderen und befreie die Menschen durch bedingungslose Liebe. Alle deine Wünsche sind erfüllt. Was möchtest du noch?“

Anschließend tanzten und sangen sie gemeinsam, freuten sich über die geweihte Nahrung und so ging der Tag zu Ende.

Am nächsten Tag nahm Nimai den Nitai mit zu sich nach Hause. Dort angekommen rief er nach seiner Mutter. Als Satchimata eintraf, sagte Nimai zu ihr „Mutter, ich habe meinen älteren Bruder mitgebracht. Sei bitte davon überzeugt, dass er dein Biswarup ist.“

Satchimata betrachtete den jungen Mann und war von der verblüffenden Ähnlichkeit mit Biswarup sehr bewegt. Sie nahm Nitai in die Arme und streichelte sein Gesicht. Mit Tränen in den Augen erwiderte sie, „Es ist doch eine wunderbare Fügung Gottes, mein exzentrischer Nimai war bis jetzt schutzlos, nun gib du acht auf deinen Bruder, aufmerksam und innig. Ab heute bin ich von dieser Sorge befreit.“

(vide: Chaitanya-Mangal 26/9)

Nach dieser Offenbarung des Götlichen im Hause von Sribash,wiederholte sich diese mystische Szene häufig. Ein paar Tage später saß Nimai auf dem Altar im Hause Sribash,eine unvorstellbare göttliche Attribute ausstrahlend. Plötzlich rief er den jungen Bruder von Sribash zu sich und befahl „Sriram, gehe sofort nach Shantipur zur Advayta Acharya und erwähne, dass die Gottheit für dessen Ankunft er streng gefastet, unentwegt gebettet und geweint hatte, und nun, seiner Liebe folgend in Erscheinung getreten ist – der bin ich! Advayta und seine Frau sollen sofort zu mir kommen, um meine Freude zu vergrößern.“

Sriram lief sofort los nach Shantipur und traf dort auch Sri Advayta in seinem Haus. Aber innerlich – tief bewegt – war er außerstande etwas zu sagen, denn nicht nur er, sondern praktisch alle Menschen in Nabadwip erlebten die persönliche Erscheinung Gottes und dadurch bedingt befanden sie sich in einer Metamorphose des Bewusstseins. Als Folge, sich in geistiger Zuversicht wiegend, hatten sie die weltliche Bodenhaftung verloren. Sri Advayta hatte schon gehört, dass in Nabadwip ein epochales Ereignis stattfindet. Ohne dass Worte gewechselt wurden verstand er den Grund von Srirams Besuch. Er sagte, „Du bist gekommen, um uns abzuholen, aber warum sollen wir dort hin gehen? Meine Stellung und Status sind deinem Bruder Sribash hinreichend bekannt. Ihr seid beschäftigt und beeinflusst, berauscht und beeindruckt von diesem Jungen. Ich bin nicht so einfältig, den Mitläufer zu spielen.
Welche Gottheit soll er sein? Gemäß welchen heiligen Schriften, welchem Leitfaden und welchen Prinzipien?“ Sriram fing an zu lachen und erwiderte: „…. Die heiligen Schriften sind mir unbekannt. Gott selbst hat verkündet, dass das Objekt deiner Sehnsucht, deiner Gebet und Hoffnung nun die Sphäre (skt.Golakdham) verlassen hat, um die Leidenden, Ratlosen und Verzweifelten zu retten und zu befreien. Er ist hier erschienen.“

Diese Äußerung – einfach und aufrüttelnd, bewegte das Herz von Sri Avayta und unvermittelt begann er mit tränenerstickter Stimme zu murmeln „Er ist da?“ Er ist da? Wirklich? Er ist unter uns? Ist das die Wahrheit?“ Anschließend fing er an zu tanzen, klatschte in die Hände und sang „Ich habe ihn geholt, ich habe ihn gebracht.“

Unterwegs mit seiner Frau in Richtung Nabadwip befielen Sri Advayta erneut Zweifel und er sagte: „Sriram, wir werden uns im Hause von Nandana Archaya verstecken, aber verrate das Nimai nicht, sondern sag ihm, dass wir nicht gekommen sind. Wenn er uns findet und sich wagt, meinen Kopf mit seinen Füßen zu berühren, nur dann werde ich überzeugt sein, dass er mein angebeteter Gott ist.“

Sriram erwiderte „Gut, aber denkst du, der Herr durchschaut das nicht? Wenn du ihm begegnest, wirst du das alles verstehen.“

Nimai, voller Zuversicht hinsichtlich des Erscheinens von Sri Advayta, war in das Haus von Sribash gegangen und hatte auf dem Altar als Verkörperung der göttlichen Transformation Platzgenommen.

Beim Anblick dieser Manifestation fingen die Verehrer an, den Gottesdienst entsprechend zu zelebrieren. Nitai hielt den festlichen Schirm über Nimais Kopf . Gadahar umsorgte ihn mit wohlriechenden Ingredienzien, Narahari wedelte den Fächer, Sribash, Murari und Mukunda standen mit gefalteten Händen vor dem Altar. Es herrschte Totenstille, da keiner den Mut hatte zu sprechen. Dann sprach Nimai,“ Der Herr Advayta Acharya hat sich im Hause von Nandana Acharya versteckt, um mich zu prüfen. Bring ihn schnellstens hierher.“

Bevor Ramai eintraf, um ihn zu holen, hatte Sri Advayta das sichere Gefühl, dass Nimai seinen Aufenthaltsort schon kannte. Diese Tatsache bestärkte erneut sein Vertrauen in Nimais göttlicher Authentizität. Ausgestattet mit Utensilien für den Gottesdienst, bewegte er sich, unterstützt durch seine Frau, in Richtung des Hauses von Sribash. Unterwegs verstärkten sich seine Zuversichtlichen Gedanken und Gefühlen, dass er wirklich unterwegs war seine spirituellen Lebenssehnsucht zu stillen, ja der ultimativen Realität des Seins zu begegnen, zu erfahren und zu erleben.

Sein Atem ging schneller und wie benebelt, legte er den Kopf auf die Schulter seiner Frau Sitadevi und überlegte unentwegt was er tun solle im Anblick des „Göttlichen“. Was könnte er wohl sagen? Wie sollte er sich verhalten? Zusammen mit seiner Frau kam er mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen an seinem Ziel an. Sie traten in den Gebetsraum und standen vor dem Altar. Dann öffnete Sri Advayta die Augen und sah zunächst weder den Altar noch Nimai. Aber nach kurzer Zeit nahm er das Folgende wahr und wurde Zeuge von diesem Geschehen :

Ein goldfarbener charmanter Körper, glänzend mit erhabenem, gütigem und gnadenvollem Gesicht blickt auf ihn. Voller ehrfürchtiger Faszination bemerkte Sri Advayta, dass Nimai geschmückt war mit glänzenden Ornamenten aus Gold und Diamanten. Außerdem saß nicht nur Nimai im strahlenden Licht, sondern die gesamte Umgebung, das heißt der Raum, die Gegenstände, ja sogar alle anwesenden Personen waren von einem seltsamen Licht überflutet. Er sah auch, wie links und rechts von Nimai verschiedene Entitäten sowie erleuchtete Mönche mit geschlossenen Händen aus heiligen Schriften rezitieren,

(vide: Sri Chitanya-Vagavad 25/16)

Der subtile Sinn dieser Manifestation ist, dass sich Sri Advayta eine solche Art von Gottes Evidenz gewünscht hatte. Nun stand er zitternd da. Nimai löste göttlich-mystische, sakrale Szenerie auf, die ihn umgab, und mit lächelndem Gesicht rief er Sri Advayta zu sich. Der kam etwas näher, da sagte Nimai „Lieber Advayta Acharya, in Anbetracht der leidenden Menschen hast du für meine Erscheinung streng und beharrlich gebetet. Deshalb bin ich hier. Jetzt kannst du dem Volk mühelos die göttliche Hingabe und Liebe näher bringen.“

Als Advayta Acharya das hörte, fing er an zu schluchzen und dabei erwiderte er „Herr, wer soll wohl hören und glauben, dass ich es war,der deine Erscheinung bewirkt hat? Aus dir alleine entspringt dein Wille. Wer ist befähigt, deinen Willen und deinen Weg zu beeinflussen? Das Leid deiner Kinder hat dich dazu bewogen, diesen Gnadenakt zu vollziehen. Ich, kleiner unbedeutender Mensch bin heute von Glück und Freude überwältigt. Bitte, erlaube mir,dass ich durch die Huldigung deiner Lotusfüße (skt.Padapallava), meinen Lebenstraum verwirklichen kann.“

Anschließend nahm er zusammen mit seiner Frau Platz vor den Füßen des göttlichen Nimai, wusch diese mit Ganges-Wasser und bedeckte sie mit Chandan und Blumen und rezitierte: „Namo Brahmanaya“-Verse, dabei verbeugte er sich. Danach standen die beiden auf, vollzogen das Ritual der sechzehn Opfergaben und Lichtschwingungen (skt. Arati). Erneut nahmen sie Platz vor dem Altar und verbeugten sich vor den Füßen des göttlichen Nimai und er berührte ihre Köpfe mit seinen Füßen. Damit ging der Wunsch von Sri Advayta endlich in Erfüllung.

Mit lächelndem Gesicht sagte der göttliche Nimai „Nara, tanz doch mal, ich möchte das sehen.“

Sri Advayta Acharya (76), der große Weise, ein Adept, der in transzendenter Stille und strenger Austerität praktizierte, fing an zu tanzen und die anwesenden Verehrer sangen dabei die Krishna-Kirtana. Von diesem Abend an nahm Advayta Acharya Abstand von seinem umfassenden Gebet und der strengen Meditation und stattdessen ging er im Tanz und Gesang zu Ehren von Sri Krishnas auf.

Im Verlauf des Tanzes und des Gesangs sprach der göttliche Nimai, „Advayta, wünsch dir was, ich werde den Wunsch erfüllen (skt. Bara-dan).“ Acharya antwortete „Herr, du bist erschienen, was soll ich sonst noch wollen und wünschen.“

Darauf der göttliche Nimai, „Du wirst etwas wünschen“. Daraufhin Advayta Acharya, „Herr, gib mir den Segen, dass ich deine hingebungsvolles Liebes-Vermächtnis den Menschen aus allen Schichten und Kasten – gleichermaßen, mit gleicher Überzeugung und mit gleicher Inbrunst vermitteln, verbreiten, verkünden und verewigen kann.“

Die Gläubigen – sichtbar ergriffen von dieser Bitte – spendeten Beifall.

Der göttliche Nimai bemerkte, „Warum soll die Ikone eines Gläubigen, wie du eine bist, einen ungeeigneten Wunsch vortragen?“

Diese Ereignisse gelten für den Vaishnavismus als epochaler, geschichtsprägender Beginn, der den vedischen „Varna-Kodex“ auf den Rang eines defizitären Zustands des dumpfen Glaubens verwies.

Sri Advayta Acharya ging nach Shantipur zurück. Aber in seinem Geist pochte der Zweifel gegenüber seinen überwältigenden Erlebnissen. Um ganz sicher zu sein, kam er erneut nach Nabadwip. Gegen Nachmittag traf er in dem Haus von Sribash ein und sah Nimai in mitten von Gläubigern sitzen und der Exegese von Sri Krihna-Spielen (skt. Krishna-Lila) lauschen.

Alle standen auf und begrüßten den Ankömmling herzlich. Er verbeugte sich vor Nimai, und Nimai verbeugte sich ebenfalls vor ihm. Anschließend nahmen alle Platz und begannen zu plaudern..

Da kam jemand und sagte „Satchimata hat mich geschickt um eine herzliche Einladung an Sri Advayta Acharya auszusprechen.“

Mit großer Freude nahm er die Einladung an und Sribash erklärte sich bereit, ihn zu begleiten.

Anschließend flüsterte Sri Advayta etwas in Sribashs Ohren. Daraufhin fragte Nimai schmunzelnd: „Kann ich an eurer geheimen Konsultation teilhaben?“

Sribash antwortete „Acharya sagt, dass du ihm zugesichert hast, die göttliche Manifestation, in der du dich Nityananda einmal gezeigt hattest, noch einmal zu wiederholen. Das hast du aber bis jetzt nicht getan, darüber ist er betrübt.“

Darauf NImai „Wie ihr mich hier vor euch seht, das ist meine wahre Gestalt. Was ich zu Advayta Acharya gesagt habe, und wann, und in welchem Zustand das weiß ich nicht mehr. Während einer geistigen Verwirrung redet man viel Unsinn. Aus tiefer Überzeugung sage ich euch, dass die Verkörperung der Gottesgestalt oder eine göttliche Manifestation immer jenseits meines eigenen Willens ist. Wann sich was ereignet, liegt außerhalb meines Bewusstseins. Wie kann ich euch die sechsarmige Krishna-Gestalt zeigen? Falls Advayta Acharya diese Metaphorik zu sehen wünscht, sollte er jetzt unbedingt mit geschlossenen Augen meditieren. Wer weiß, vielleicht erweist Sri Krishna ihm die Gnade.“

Dieser Empfehlung folgend und mit etwas Neugierde schloss Sri Advayta seine Augen und fing an zu meditieren. Die Anwesenden richteten voller Erwartungen ihren Blick auf das Gesicht von Sri Advayta Sie werden Augenzeuge, wie Sri Advayta im Sitzen allmählich das Bewusstsein verlor. Sein Atem kam praktisch zum Stillstand, kaum wahrnehmbar, der Körper war plötzlich mit einer Gänsehaut überzogen.

Mit sorgenvoller Stimme fragte Sribash „Herr, ist der Zustand von Acharya nicht bedenklich?“ Nimai antwortete: „Kein Grund zur Aufregung, vielleicht ist in seinem Herzen schon Sri Krishna erschienen und dieser Anblick, dieser Freude haben ihm den Atem geraubt.“

Sribash, „Herr, bitte bring ihn zurück ins Bewusstsein.“

Nimai „Wie soll ich das tun?“ Acharya kam von selbst zu sich und schaute sich suchend um. Dann fragte er mit emotionsgeladener Stimme, „Diese schöne, bläulich glänzende Gestalt ist vor meinen Augen verschwunden. Wo ist er nun? Sein Kopf, sein Hals und die Füße sind geschmückt mit Blumengirlanden. Dieser herzbetörende Schönling, wo ist er nur hingegangen? Sribash fragt etwas ungeduldig nach: „Sag doch klar und deutlich, was hast du gesehen?“

Advayta Acharya kam allmählich ganz zu sich und sagte, „Nachdem ich meine Augen geschlossen hatte, kam dieser Herr (er zeigte in Richtung Nimai) sofort zu mir nahm Platz in meinem Herzen und wurde zum Ebenbild von Sri Krishna zu meiner unendlichen Freude. Danach verließ er mich als der uns bekannter Nimai und ich wurde wieder wach.“

Daraufhin Nimai, „Du bist eingeschlafen und für das was du geträumt hast machst du mich verantwortlich?“

Sri Advayta Acharya antwortete ihm, „Es war kein Traum, sondern die transzendente Realität. Ich habe dich erkannt. Du bist ohne Anfangs- und ohne Ende, und du bist Gegenstand und Ergebnis meines Gebets, die ontologische Offenbarung.“

Zwecks adäquater Einschätzung und Beurteilung des Beschriebenen sollte erwähnt werden, dass es sich bei der Gemeinde,die Nimai umgab, nicht um naive, wenig gebildete, einfache und volkstümliche Menschen handelte, die auch an den Weihnachtsmann glauben würden, sondern um eine hochgebildete Elite, der damaligen Gesellschaft, dessen Reflexionstiefe und Erkenntnisinteresse bis in die vedische Zeiten (ca. 2.500 v. Chr.) zurück reicht.

Dies sehen wir am Beispiel des Verhaltens von Sri Advayta Acharya. Trotz zweimaliger bewegender Erlebnisse und prägender Erfahrungen blieb er noch immer skeptisch gegenüber dem Beweis von Nimais göttlicher Manifestation.

Ein weiterer Zweifeler war Mukunda!

Nimai veranstaltete regelmäßig das „Mango Festival“ . Er platzierte Mango-Kerne auf dem Boden und klatschte kräftig in die Hände. In kurzer Zeit wuchs ein Baum aus den Kernen, der etwa100 Früchte trug. Nachdem sie das Opfer Ritual vollzogen hatten aßen die Gläubigen voller Freude die Mangos. Im Sommer wiederholte sich dieses Phänomen praktisch jeden Tag. Eines Tages wandte sich Nimai lächelnd an Mukunda, „Du denkst, dass dieses Mango-Festival reine Zauberei ist?“ Mukunda fühlte sich ertappt und schämte sich für seine Oberflächlichkeit.

Eines Tages, nach dem rituellen Bad im Ganges, saß Nimai in dem Haus von Sribash. Die Gemeinde der Gläubigen versammelte sich. Plötzlich sahen sie, wie sich an Nimai die göttliche Veränderung zu vollziehen begann. Er bat darum den Kirtana-Gesang anzustimmen, und sie folgten seinen Anweisungen. Nun geschah wieder etwas Ungewöhnliches. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Nimai im Züge der göttlichen Exposition – zuerst physich verändert, danach hatte er auf dem Altar Platz genommen war dann zusammengesunken, als wäre er ohnmächtig geworden.

Aber heute blieb es bei einer leichten äußeren Veränderung. Er stand auf, ging ganz normal in Richtung „Gebetsraum“ und nahm auf dem Altar Platz. Im Gegensatz zu anderen Tagen blieb er dort sitzend vom Morgen bis zum Sonnenaufgang des nächsten Tages. Dieses außergewöhnliche und auf dieses eine Mal beschränkte Verhalten von Nimai ist berühmt geworden als (bengl. Sapta Praharya Bhaba), d.h. 21 Stunden – Offenbarung oder (bengl. Maha Prakash), also als große Manifestation.

Als Augenzeuge dieses Ereignises sollte man drei Brüder erwähnen und zwar Basu, Madhab und Govinda, denn sie zusammen haben der Nachwelt die eingehende Darstellung des Ereignisses in der Gedicht-Anthologie „Mahaprakash“ hinterlassen. Außerdem berichtete der Dichter Karnapur in seinem „Drama“ darüber ausführlich.

An diesem besonderen Tag begann Nimai damit seinen „göttlichen Segen“ (bengl. Bara-Dan) für die Aufgaben- und Wunscherfüllung zu erteilen. Sein Segen umfasste primär die Entwicklung sowie die Kultivierung von bedingungsloser Nächstenliebe und hingebungsvoller Verbreitung des Sri Krishna-Bewusstseins an alle Menschen, unabhängig von Rasse, Geschlecht und Herkunft.

Er rief nacheinander einige Personen mit Namen und bat sie, vor ihm zu erscheinen.

Hier nur ein paar ausgewählte Beispiele:

Nimai rief nach Haridas! Aber wer ist er?

Hier seine Lebenslauf in Kürze.

Haridas war der Sohn einer Brahmanen-Familie. Da seine Eltern sehr früh starben, wuchs er als Adoptivkind in einer islamischen Familie auf.

Als Jugendlicher lebte er in einem Dorf namens Buran im Distrikt Bongram. Erstaunlicherweise war er schon in jungen Jahren überwältigt von „Krishna-Liebe“ und murmelte „Harinam“ Tag und Nacht. Er war fest davon überzeugt, dass es genügt voller Inbrunst „Krishnanam“ zu murmeln, um die Befreiung zu erlangen. Er wurde Mönch und lebte im Wald in der Nähe von Benapol (heute eine Bahnstation). Um die Echtheit seines Mönchtums zu prüfen, schickte der Großgrundbesitzer (bengl. Zamindar) eine Prostituierte zu ihm hin. Haridas empfing die Frau respektvoll, überzeugte sie von der Exzellenz der Sri Krishna-Liebe, vermachte ihr seine Hütte und ging fort.

Als der Muslim-Richter Mullukpati hörte, dass sich Haridas vom Islam abgewendet hatte und nun den Hinduismus praktizierte, ließ er ihn verhaften. Sein Berater ein Richter namens Gorai empfahl ihm, Haridash durch Stockschläge zu töten, sonst werde sich die islamische Gemeinde tief beleidigt fühlen.

Der Gorai sagte zu Haridas, „Entweder musst du sofort anfangen, die islamischen Schriften (Kalma) zu lesen und aufhören, „Harinam“ zu murmeln, dann kannst du freikommen und auch ein Ehrenamt bekleiden oder du wirst qualvoll sterben.“ Haridas antwortete „Auch wenn mein Körper ins Stücke zerrißen wird, mein Mund wird das Harinam-Lied weiter singen.“

(vide: Chaitanya-Bhagavat 25/32)

Der Vollstrecker begann damit Haridas die Stockschläge zu verabreichen.

Aber er schrie weiterhin laut „Sri Krishnanam“ und spürte keinerlei Schmerz. Er sagte zu sich, „Warum schlägt er mich so brutal, was ist der Stein des Anstoßes, welche finstere Zukunft baut er für sich damit auf. Herr, verzeihe diesem Menschen.“ Nach diesen Gedanken wurde er ohnmächtig. Der Vollstrecker dachte, der Gefolterte sei schon tot und warf ihn in den Fluss.

Irgendwann kam Haridas wieder zu sich und traf danach auch Sri Advayta Acharya, das Oberhaupt der Vaishnaba-Gemeinde. Sri Advayta Acharya war von der tiefen Gläubigkeit Haridass sehr beeindruckt.

Der Aufforderung von Nimai folgend brachte er Haridas zu ihm. Nimai empfing ihn voller Freude, bat ihn Platz zu nehmen. Danach beköstigte er Haridah opulent, strich eigenhändig die „Chandanpaste“ auf seinen Körper und legte ihm die Blumengirlande um den Hals.

Haridas stand auf und ließ sich anschließend der Länge nach auf den Boden vor dem Altar fallen, bäuchlings verharrte er in dieser Haltung der Demut.

Nimai sagte „Haridas, sag mir deinen Herzenswunsch.“

Haridas entgegnete, „Herr, ich werde stumm vor dir. Du bist mein Weg und mein Ziel. Du bist voller Gnade den Gläubigen gegenüber, aber mein Glaube ist nicht so tief wie der Ozean. Du bist barmherzig, deshalb meine Bitte, befrei mich von dem giftigen Kreislauf von Samsara.“

Nimai erwiderte „Deine Demut hat mich für immer zu Dank verpflichtet. Ich möchte deinen Herzenswunsch erfüllen.“

Daraufhin Haridas „Bitte lasst mich so arm sein, wie ich bin. Aber gib mir im Herzen die unvergängliche und unerschütterliche Liebe zu dir für alle Ewigkeit.“

Nimai antwortete: „Haridas, dieser, dein Segenswunsch entspricht dir absolut . Als man dich schlug , hätte ich dich von dem Vollstrecker befreien und auch töten können. Aber du hast voller Inbrunst nur meinen Namen genannt, und das hat mich mit so tiefer Freude erfüllt, dass ich nicht aufhören konnte, diese Liebe zu genießen. Deshalb habe ich dich erst von der Schmerzempfindung befreit und dann in Ohnmacht versetzt. Dieses mein Vermächtnis sowie die Herrlichkeit deiner „Krishna-Liebe“ verbleibt in dieser Welt als unvergänglicher Leuchtturm für alle ernsthaft suchenden Menschen“.

Haridas vergoss viele Tränen. Er war nur 23 Jahre alt !.

Nach wie vor saß Nimai auf dem schön dekorierten Altar. Seltsames Licht strahlte aus seinem Körper. Hell wie das Licht des Tages aber mild wie der Mond. Gadadhar hatte Nimais Stirn, Hals, Arme und Finger mit Blumengirlanden und -ringen geschmückt sowie Blumen in seinen Händen arrangiert.

Nityananda hielt den Baldachin, Narahari aus Srikhanda schwenkte den Luftwedel. Auf Nimais Gesicht lag ein Lächeln wie die aufgehende Sonne.

Sobald Nimai jemanden ansah, verlor sein Gegenüber augenblicklich seine eigene Identität und nahm in der Selbstbetrachtung,in seinem Herzen nur Nimai wahr, dort verweilend als Sri-Krishna-Erscheinung . Von Angesicht zu Angesicht mit der personifizierten Gottheit schwebten unzählige Menschen in einem verwirrenden Taumel erhabener Selbstlosigkeit. Ein jeder wollte ihm huldigen. Je nach finanziellen Verhältnissen opferten sie Nimai Tulsi-Pflanzen, Blumen, Bekleidung, Nahrungsmittel und köstliche Getränke, Metallgefäße oder auch Goldschmuck. Manche sangen Krishna-Lieder oder rezitierten Verse aus Vegabad-Gita.

(Vide: Chaitanya-Vagabat 25/31)

Aber jemand lag auf dem Boden des Atriums und weinte bitterlich, es war Mukunda, der gewisse kritische Haltung gegenüber der Genuität von Nimais göttlicher Emanation pflegte. Nun selbst Zeuge und überwältigt von einer unglaublichen, unerklärlichen, unfassbaren sowie alles verändernden Gefühlswandlung, wartete er vergeblich auf Nimais Aufforderung, sich ihm zu nähren,um seinen Segen zu empfangen, immerhin war Mukunda der beste Sänger in der Gemeinde. Niemand der vielen Anwesenden hatte den Mut, Nimai darauf aufmerksam zu machen. Dann fasste sich Sribash ein Herz, lief vor den Altar und sagte „Herr, Mukunda weint unentwegt weil du ihm keine Audienz gewährt hast.“

Nimai antwortete:“ Euch ist nicht bekannt, dass Mukunda nicht ehrlich und aufrichtig ist, denn er besucht die Erkenntnis suchenden (skt. Jana-Marga) Kreise und sagt, die liebevolle Hingabe an Sri Krishna (skt. Bhakti-Marga) sei verwerflich. Solche Personen verdienen meinen Anblick nicht!“

Diese Worte hörte Mukunda schon von draußen im Atrium und er schrie, „Pandit Sribash, Sie brauchen für mich keine Audienz zu erbitten. Als gottloser Mensch möchte ich nur eine einzige Antwort von dem Herren erfahren. Wie viele Inkarnationen muss ich noch durchleben, bis ich zu dem Herrn aufblicken darf?“ Nimai hörte das und sagte „Mukunda, nach 10 Mio. Inkarnationen wirst du in den Genuss meiner Audienz kommen“.

Mukunda geriet in Verzückung und in ekstatischer Freude, wie von Sinnen, fing er an zu tanzen und schrie „nur nach 10 Millionen Geburten werde ich ihm begegnen, nur nach 10 Millionen. Oh, das ist doch schon übermorgen!“

Vom Altar aus vernahm Nimai diese voranstürmende Zuversicht, eingebettet in einen Resonanzraum unübertrefflicher Hoffnung, und Tränen flossen aus seinen Augen.

Er rief: „Mukunda komm zu mir in den Gebetsraum! Doch Mukunda hörte nichts, er verlor sich im Freudentanz. Deshalb packten einige ihn am Arm und brachten ihn zu Nimai. Als Zeichen seiner Ehrerbietung stand Mukunda vor dem Altar mit gefalteten Händen.

Dann führte Nimai aus: „Mukunda, lass dir gesagt sein, dass meine Worte die ultimative Wahrheit sind. Deine unerschütterliche Zuversicht, dass du mich auch nach 10 Millionen Inkarnationen erblicken wirst, und das kosmisch tiefe Vertrauen unterstreicht wie abgrundtief deine Treue und dein Glauben an Sri Krishna ist. Daran sollten sich die Gläubigen ein Beispiel nehmen.“

Anschließend empfing Mukunda den Segen von Nimai!

Fortan legte Nimai seine göttliche Emanation ab und manifestierte seine ergreifende, liebliche Natur. Zunächst verschenkte er die Betelpflanze (bengl. Pan), die er im Mund gekaut hatte, an alle. Der betörende Duft führte zu einer Art taumeligen Ekstase. Alle begannen zu tanzen und sangen Krishna-Lieder. Nimai selbst umarmte den einen und gab dem anderen einen Kuss, mit dem Dritten, zum Beispiel, fing er an zu tanzen.

„….Asleshoi boticha tathaisha….“

(Vide; Chaitanya-Charit-Gedicht Band 5/92).

Stunden vergingen.

Allmählich wurde es vier Uhr nachts und die Gemeinde wurde von einer tiefen Müdigkeit übermannt, aber niemand hatte die Kühnheit den leuchtenden Nimai daraufhin anzusprechen. Dann trug Sri Advayta Acharya – nach kurzer Konsultation mit einigen Gläubigen vor: „Herr, wir als ganz normale Geschöpfe sind nicht mehr in der Lage, deine charismatische Aura zu verkraften. Bitte, nimm die menschlichen Eigenschaften wieder an.“

(vide: Chaitanya-Chandrodaya Drama 48/75, Übersetzung: Premdash)

Nimai antwortete „Gut, dann komme ich gleich .“ Dann, einen Schrei ausstoßend fiel er zu Boden und wurde ohnmächtig. Er war in der Vergangenheit bereits oft in Ohnmacht gefallen aber dieses Mal lag er wie leblos da, atemlos und mit verändertem Gesichtsausdruck. Sri Advayta spritzte ihm etwas Wasser ins Gesicht, rief immer wieder seinen Namen aber Nimai blieb ohne jegliches Lebenszeichen.

Der Morgen brach an, dann wurde es Mittag. Nimai kam nicht zu sich. Die Gläubigen waren voller Sorge und dachten mit Bestürzung und tiefer Traurigkeit, dass Nimai das Erdenleben hinter sich hatte. Sie wollten Satchimata informieren. Da trat ein Mitglied vor und schlug vor, „Wir haben in der Vergangenheit doch sehr oft durch einen ganz bestimmten Gesang (bengl. Kunja-Bhanga-Geet) den Herren ins Bewusstsein zurück geholt. Sollten wir das nicht erneut versuchen?“ Als sie mit andächtiger Miene den Gesang einstimmten, wehte sie eine seltsamer Harmonie an wie von sakralen Lüften, angeweht.

Dann geschah etwas Erstaunliches. Nimais Körper zeigte so etwas wie eine „Gänsehaut“. Aus lauter Freude fingen einige an zu tanzen, andere schrien „Heil, Heil (bengl. Joi, Joi). Auch die Frauen gerieten in einen Freudentaumel. Nimai öffnete die Augen, nahm die Sitzhaltung ein und fragte ganz verwundert „Was ist los? Wo bin ich? Warum sitzt ihr hier um mich herum?“ Es scheint schon recht spät zu sein.“

Sribash erwiderte „Herr, seit gestern warst du ohnmächtig. Deshalb sitzen wir hier alle um dich herum voller Sorge.“

Nimai senkte beschämt den Kopf und sagte „Ich habe euch Schwierigkeiten bereitet. Ich bitte um Entschuldigung“.

Da rief Nitai lautstark „Das ist schon Geschichte, ich habe Hunger. Aber lasst uns erst gemeinsam ein Bad nehmen.“

Die metaphysische Immanenz, die Manifestation von tiefer, inniger und unerschütterlicher „Krishna-Liebe“ in Mimik, Gestik, Tanz und Kirtan-Gesang – durch Nimai selbst und die eingeweihte Gemeinde vorgelebt – verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Monsun-Wind.

Unzählige Menschen – Mann, Frau, alt, jung, Gesunde und Kranke – pilgerten nach Nabadwip, versammelten sich auf der Straße und den Gassen, am Gangesufer, auf den Gehwegen um Nimais Haus herum.

Es war kein egozentrischer Größenwahn den Nimai auslebte, sondern seine mystische Ausstrahlung sowie seine Offenbarung des Göttlichen in ihrer ganzen Dynamik, die die Menschen in einen spirituellen Bewusstseinswandel führten.

Dieses Zeugnis allumfassender, all umhüllender, allverzeihender Liebe hatte eine universelle, sakramentale Dimension. Die Integration der machtvollen Gefühle versetzte alle in eine grenzenlose schwingende Begeisterung und in eine Bewegung des Herzens wie nach einem Paukenschlag, Nimai sagte „Ein jeder Mensch der Krishna-Liebe“ im Herzen trägt, ist ein „Brahma“!

Die klerikal-aristokratische Arroganz der Brahmanen-Kaste sowie ihre Bestandsverwaltung, legitimiert durch die Veden, erlebte eine bleibende Stigmatisierung. Die Zeit war nun reif für den Aufbruch. Deshalb beauftragte Nimai – den man inzwischen „Sri Gauranga“ nannte (skt. Sri = eine erwachsene männliche Person und Gauranga = hellhäutig), Haridas und Nityananda die „Srikrishna-Liebe“, also den Bhakti-Yoga wieder zu beleben, zu predigen und mit Hilfe von hingebungsvollen Tänzen und Gesängen jedem Menschen den Madhava-Nektar zu schenken!

Während der Ausübung dieser Mission war die Bekehrung der Brüder Jagai und Madhai, der brutalen und kriminellen Befehlshaber der Provinz Nodia, das einprägsamste und dramatischste Ereignis und als schillerndes Beispiel gingen die Brüder in die Vaishnava-Geschichte ein.

Der Wellenschlag der „Krishna-Liebe“ Bewegung erfasste wie ein Tsunami das gesamten Bengalen (Ost-Indien). In Anbetracht dieser Entwicklung äußerte sich Sri Gauranga, „jetzt möchte ich den „Bhakti-Yoga“ mit Nachdruck in Pan-Indien verbreiten und deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass ich mich dem Mönchstum verschreibe und zuerst in Brindabon (Sri Krishnas Spielfeld) zu Sri Krishnas Lotusfüssen verweile.“

Zuvor jedoch geschah wieder etwas, ein einzigartiges Geschehnis, das unseren Erlebnishorizont sowie die Möglichkeiten des rationalen und intuitiven Denkens übertrifft. Sri Advayta Acharya, ein Gelehrter und eine tiefgläubige Persönlichkeit, war wie so oft im Zweifel! Ist der Sohn von Jagannath, den wir so verehren, dieser Nimai, dieser Sri Gauranga, ist er wirklich Sri Nandanandan (bengl. Sohn von Nanda also Sri Krishna!) in Menschengestalt? Einige Zeugnisse habe ich doch selbst gesehen, aber waren sie Realität oder nur Selbst-projektionen, also Illusion Illusion?

Tief traurig und voller Misstrauen fiel er im Hause von Sribash zu Boden und begann aus tiefster Seele zu schreien.

Sri Gauranga befand sich zu Hause und spürte die quälende depressive Lage von Sri Advayta und eilte zu ihm, legte seine Hand auf die Stirn von Sri Advayta. Der fing an zu weinen. Sri Gauranga führte ihn in den Altarraum und fragte, „Ich stehe vor dir Advayta, was möchtest du noch?“ Mit belegter Stimme antwortete Sri Advayta „Herr, sobald du vor mir stehst, bin ich von deiner wahren göttlichen Erscheinung vollkommen überzeugt. Aber deine Abwesenheit stürzt mich immer in quälenden Zweifel. Ich habe nur noch einen Wunsch. Bitte zeig mir die „Una Sancta Glorie“, wie Sri Krishna einmal die transzendentale Herrlichkeit an Arjuna gezeigt hatte.“

(vide: Vagavad-Gita, Abschnitt 11)

Kaum hatte sich Sri Advayta ausgesprochen, verschwand die dreidimensionale Welt aus seinen Augen. Etwas unermesslich Strahlendes erschien vor ihm; ohne Anfang, ohne Ende, scheinbar mit unzähligen Augen, unendlichen Köpfen, Händen, Füßen und unerklärlich leuchtende Wolkengebilde wie von der Sonne ausgesandt formierten sich fortwährend neu.

Als er sein Bewusstsein zu verlieren drohte, rief Sri Gauranga laut „Schau hin, schau hin!“ Neugierig geworden durch die laute Stimme von Sri Gauranga, stürzte Nitai ins Gebetszimmer und im Anblick der göttlichen Glorie fiel er sofort zu Boden.

Als Sri Gauranga in die Normalität zurückkehrte, erhoben sich Sri Advayta und Nitai und überwältigt von sinnenbetörender Glückseligkeit begannen beide zu tanzen.

Das war die letzte Divine Manifestation von Sri Gauranga in Nabadwip!

Langsam zog er sich zurück. Die weltliche Offenbarung göttlicher Ekstase reduzierte sich zusehends und verwandelte sich in den Ausdruck von tiefer Demut.. Er nahm nicht mehr so oft an den Gemeindetreffen teil. Der Bitte der Mutter folgend ging er hin und wieder mit seiner Frau Vishnupriya spazieren. Aber die meiste Zeit blieb er zu Hause, im Zimmer, umgeben von engsten Verehrern, emotional tief bewegt und geistig aufwühlt, manchmal auch weinend, während er flehend wiederholte „Ich muss als glühender Mönch nach Brindabon um Sri Radha-Krishna zu verehren, ihm meine Aufwartung zu machen und das Zeugnis meiner Liebe abzulegen.

Fortsetzung folgt!