Historischer Hintergrund

Region und Zeit seines Wirkens

Pan-Indien befand sich unter der Herrschaft vom islamischen Mogul-Herrscher.In Bengalen (damals Gaur genannt) regierte ein Moslem namens Hussain Khan. Unter seinem Regime fungierten die Shahria-Geleherten als Richter (Käji genannt) in einzelnen kleinen Städtten. Sie waren sehr einflussreich und nicht selten verfügten sie über eigene Truppen. In der Muslim-Stadt Nabadwip war Chänd Khan Richter,er wohnte in einem Dorf namens Belpukhuria.

 

Soziale und politische Struktur im Lande

In der gesellschaftlichen Hierarchie gehörten neben Käji, die Großgrundbesitzer (Zaminder genannt) der zweiten Kaste an. Der Geschichtsschreiber Abul Fazel schreibt in seinem Buch AIN-E-ÄKHBARI, dass sie hauptsächlich die einheimischen Bengalis waren und diese auch als Steuereintreiber und pünktliche Steuerzahler bekannt und geschätzt waren. Eine weitere, zum Teil recht wohlhabende Unterkaste, waren die „Nabashakas“.Ihr gehörten die folgenden neun Berufsgruppen an: a) Gewürzhändlern, b) Hersteller von Blumen-Girlanden Herstellern, c) die Weber, d) Milchbauern e) Friseure, f) Erzeuger von Betelblätter (Pän) g) Grobschmiede, h) die Töpfer, i) Bäcker . Der obersten Kaste gehörten die Brahmanas, an, sie waren überwiegend unabhängig und wurden von allen anderen Kasten umfänglich bedient. Die Tätigkeit der Brahmanas beschränkte sich primär auf das Studium und die Beschäftigung mit Literatur und religiösen Schriften sowie dem Vollzug von heiligen Zeremonien. Innerhalb der dortigen Gesellschaften waren die Heilkundigen (vaidya genannt) am wohlhabendsten und genossen großes Ansehen.

Eine Ausnahme innerhalb der auf geistige und religiöse Tätigkeitenausgerichteten Brahmana-Gruppe bildeten die zwei Polizei-Chefs (Kotal) von Nabadwip: Jagannath Räy und Madhava Räy. Später wurden die beiden als Jagai, Mädhäi berühmt.

 

 

Die Stellung und der Status der Stadt Nabadwip

Sri Chaitanya-Vagavad berichtet, dass Nabadwip damals eine recht wohlhabende Großstadt am Ganges war, aufgeteilt in viele Ortschaften mit unterschiedlichsten Kasten und Gruppenzugehörigkeiten. Die dort lebenden Menschen waren großherzig und voller Empathie. Zwecks besseren Verständnisses sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Bevölkerung auch sehr bescheiden war. Mit ein wenig Essen, einem Lehmdach über dem Kopf und ein paar Textiltüchern als Bekleidung waren sie restlos zufrieden.

Im Gegensatz zu anderen Städten, die zur Vermehrung ihres Wohlstands und zur Sicherung und Ausweitung ihrer Macht und Einflusssphäre Kriege führten oder große Handelszentren aufbauten oder es als fundamentale Aufgabe betrachteten, eine soziale und politische Neuordnung der Gesellschaft vorzunehmen, beschäftigte sich Nabadwip einzig und allein mit der Vertiefung und der Erweiterung seiner Wissenskultur, also mit geistigen Studien.

Eine majestätische Welle der Wiederbelebung und Verbreitung von Bildung, der Forschung und Suche nach neuen Erkenntnissen hatte Nabadwips gesamte Gesellschaft erfasst. Einen nahezu ekstatischer Wissensrausch beherrschte, beflügelte, beglückte, beschwingte und beseelte alle Gruppen, alle Kasten – Jung und Alt, Mann und Frau.

In diesem akademischen Universum waren die Gelehrten „Personae gratissimae“. An jeder Straßenecke gab es eine Sanskrit-Medium-Höhere Schule („Toll“ genannt). Tausende Studenten waren rege damit beschäftigt und bemüht von der Elite der Gelehrten angehört zu werden.

Gegen Mittag versammelten sich alle – das heißt Mann-Frau-Studenten-Lehrer – am Ufer des Ganges zum Baden, und es ergaben sich regelmäßig lange tiefgründige Debatten über die unterschiedlichsten Themen wie Rhetorik, Philosophie, Metaphorik, usw.

Mit anderen Worten Nabadwip war zu dieser Zeit die Nummer 1 in Bezug auf die Konzentration außergewöhnlicher Verdienste um Bildung und Kultur im gesamten Indien. Egal wo man im Lande studiert hatte, um geachtet und anerkannt zu werden, musste man nach Nabadwip kommen und durch herausragende literarisch-philosophische Debatten überzeugen, dass er oder sie wirklich ein Kronjuwel seines Fachgebietes war.

Zunächst unterhielt Rambhadra Bhattacharrya eine kleine Schule für „Naya-Philosophie“ (Naya=logische Argumentation und Beweisführung) in Nabadwip. In dieser Zeit genossen zwei Akademiker im Lande recht großes Ansehen. Es waren Maheswar Visharada und Nilambar Chakraborti. Nilambar war der Onkel von Sri Chaitanya Mahaprabhu. Der Visharada lebte in einem Dorf namens Vidyanagar. Er hatte zwei Söhne – Sarbabhouma (genannt Vasudeva) und Bachaspati – beide waren Schüler von Rambhadra. Sarbabhoumas Intellekt war ganz außergewöhnlich!

Die Naya Philosophie war zu jener Zeit exklusive Domäne von einiger weniger Gelehrter in Mithila-Stadt (heute: Bundesstaat Bihar).

Kein Schüler durfte beispielsweise Bücher über „Nayashastra“ mit nach Hause nehmen, erst recht nicht in einem anderen Staat. Aufgrund des Mangels an entsprechenden Büchern hatten die Gelehrten in Nabadwip große Schwierigkeiten, vertieftes Wissen in „Naya-Shastra“ zu vermitteln. Deshalb schickte man Vasudeva nach Mithila, um „Naya-Wissenschaften“ zu studieren. Er prägte sich alles ein, kehrte nach Nabadwip zurück, schrieb alles auf und eröffnete eine große „Naya-Philosophie“ Schule und erlangte Berühmtheit in ganz Indien. Anstatt nach Mithila, pilgerten nun Tausende Schüler zu ihm nach Nabadwip. Unter seinen Schülern waren auch Ragunath, Raghunandan, Bhabananda und Krishnananda. Raghunath ist der Verfasser von „Didhiti“ ein Meilenstein in der Naya-Philosophie. Raghunandans 28-teiliges Kompendium von „Smriti-Shasträ“ ist bis heute einmalig. Bhabananda war später der Lehrer von Pandit Jagadisch und die moderne „Naya-Philosophie“ heißt auch „Jagadischi“. Krishnananda ist der berühmte Verfasser von „Tantrashara“.

Solche bedeutenden Persönlichkeiten besuchten damals die berühmte Schule von Sharbabhauma. Aber dann folgte Vasudeva Sharbabhauma einer verbindlichen Einladung des Königs von Orissa, Pratapchandra Gajapati, ließ sich dort nieder und gründete eine neue Schule für Naya-Vaisheshika, Vedashastra, Vedanta-Darshan. Daraufhin gingen zahlreiche Schüler aus verschiedenen Regionen des Landes nach Orissa, um dort in dieser Schule weiterzulernen.