In Gäya angekommen, erledigte Nimai zunächst die Zeremonie zum Jahresgedächtnis. Dann nahm er ein Bad in Brahmakunda und ging nach Chakrabera. Der Legende nach hatte hier Sri Krishna mit seinem Fuß das Haupt von Gäyasura berührt. Dieser Fußabdruck ist heute noch sichtbar. Angesichts dieser Fußstapfen wurde Nimai wie betäubt, er verlor Stimme und Sprache, seine Lippen fingen an zu zittern. Unentwegt flossen ihm die Tränen. Unter den Anwesenden war auch Iswarpuri. Als Nimai fast bewusstlos, beinahe gestürzt wäre, fing ihn Iswarpuri auf. Nimai kam zu sich und sagte:
„Mein Besuch in Gäya ist nun von Glück und Erfolg gekrönt, ab heute bin ich der Diener von Sri Krishna denn ich dürfte seine unschätzbaren Fußstapfen betrachten. Goswami Iswarpuri (Goswami= religiöser Lehrer), ich bin im Samsara-Fluss beinahe ertrunken. Du bist voller Mitleid und Gnade, ich bitte um Befreiung. Bitte gib mir deinen Segen, sodass ich befähigt werde, den Liebesnektar von Sri Krishna zu genießen.
Einige Tage später, in einer Glückverheißenden Stunde flüsterte Iswarpuri ein aus zehn Silben bestehendes Mantra in Nimais Ohr und sofort fing dieser voller Freude an zu weinen!
„…Die Samen die der Madhabendrapuri im Herzen von Iswarpuri gesetzt hatte, manifestierte sich nun als ausgewachsener Baum im Sri Gauranga…“
(vide: Sri Chaitanya Charitamrita Seite 29ff).
Nach dieser dramatischen Begegnung mit Nimai, verschwand Iswarpuri für immer in eine unbekannte Welt.
Der visuelle Eindruck von Sri Krishnas Fußabdruck veränderte Nimais Wesensart grundlegend. Er wurde noch stiller, nachdenklicher, sein Herz voller demütiger Hingabe an Sri Krishna, Augen voller Tränen in der sichtbare Erwartung, Entfremdung von der Umwelt und Abstand von der Realitäts-Resonanz.
Einige Tage später,während er an einem einsamen Platz saß und das Guru-Mantra rezitierete, schrie er plötzlich auf: „Krishna! Mein Vater, wo bist du“, und fiel in Ohnmacht.Als er langsam wieder zu sich gekommen war,sagte er weinend: „Krishna, mein Vater, mein Leben, ich bin unfähig zu leben ohne dich. Bitte verstecke dich nicht, denn meine Welt versinkt in der Dunkelheit ohne dich. Hab´ Erbarmen und rette mein Leben.“
In der Zwischenzeit waren seine Begleiter eingetroffen und Nitai flehte sie an: „Ihr geht zurück nach Hause und tröstet meine Mutter, ich nehme nun den Weg Richtung Brindabon.“
Nur mit Muhe gelang es Chandrashekhar und den restlichen Schülern, Nimai umzustimmen und sie kehrten gemeinsam nach Nabadwip zurück.
Satchimata und Vishnupriya empfingen Nimai mit tiefer Freude. Seine flehende Schweigsamkeit, seine fesselnde Zurückhaltung und seine flammend leuchtende Traurigkeit auf dem Gesicht fielen allen auf. Gegen Nachmittag saß Nimai im Wohnzimmer mit drei Freunden zusammen, mit Sriman Pandit, Kabiraj Sädashiv und Murari Gupta. Dieser Murari Gupta sollte später in seiner berühmten Kärcha (Chronologie) Nimais frühe Aktivitäten (bengl. Lila) detailliert beschreiben.
In tiefern emotionalern Ergebenheit und sehr bewegt sprach Nimai : „Brüder, ihr seid auf ewig meine Freunde. Wem anders als euch soll ich enthüllen wie sehr meine Seele trauert angesichts der Trennung meiner Seele? Morgen werde ich Shuklambar Brahmachari besuchen, bitte kommt dorthin! Ich werde euch alles erzählen“.
Anschließend ging er ins Schlafzimmer, unterhielt sich mit seiner Frau Vishnupryia und abrupt wurde er still, senkte seinen Kopf und began bitterlich zu weinen. Vishnupriya, sehr bewegt und sprachlos, lief zu Satchimata. Beunruhigt kamen die beiden zurück zu Nimai und fragten ihn besorgt nach dem Grund seines herzzerreißenden Weinens. Nimai zügelte sich ein wenig und murmelte:
„Mutter, sei nicht traurig dass ich weine, denn gerade hat mich der Anblick auf eines wunderbaren mit Girlanden geschmückten himmelblauen Jungen so sehr berührt, dass meine Augen anfingen vor Freude so tief wie der Ozean, unaufhaltsame Tränen zu weinen. Der Glanz seiner Schönheit stimmte eine heilige Melodie in meinem Herzen an“. Dann schilderte Nimai seine Erlebnisse bis ins Detail.
Am nächsten Morgen traf Nimai im Haus von Shuklambar Brahmacharie an, stolpernd, strauchelnd wie ein Betrunkener und auf dem lehmbedeckten Innenhof fiel er in Ohnmacht. Nachdem Murari und Sriman etwas Wasser über seinem Gesicht versprüht hatten, öffnete Nimai die Augen und fing an zu weinen. Seine mit Gefühlen durchtränkte Stimme rief: „Krischna! Krischna! Mein Krischna ist nicht mehr da. Er war doch eben noch hier, nun hat er sich wieder versteckt?“ Dann wälzte er sich, versunken im stockenden Pulsschlag des Trennungsschmerzes auf dem Lehmboden und murmelte schluchzend: „Mein Krishna ist nicht mehr da!“
Unvermittelt umarmte er Murari und sprach:
„Murari, verehre Sri Krischna, willst du Krischna nicht anbeten? Murari, mein Krischna ist so der Liebe würdig!“
Plötzlich hörte Nimai eine wimmernde Stimme und fragte sich, wem wohl die Stimme gehörte. Es war die Stimme von Gädadhär. Als dieser hervortrat, sagte Nimai: „Gädadhär, dein Leben ist gesegnet, mein Dasein ist wohl sinnlos“. Daraufhin warf sich Gädadhär Nimai zu Füßen. Er war jünger als Nimai und begleitete Nimai wie sein Schatten.