Die Morgenröte der indischen Zivilisation

DIE ERSTEN RELIGIONSPHILOSOPHISCHEN GEDANKENWELLEN UND DEREN ENTWICKLUNG

Bereits seit ca. dem 5. Jahrtausend bis ca. Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. existierte im Industal die Harappa-/Mahenjodaro-Hochkultur. Die durch Ausgrabungen nun freigelegten Flächen zeigen mehrgeschossige Häuser, Straßennetze, Bäder, Brunnen, Abwasseranlagen, kunstvolle Tierdarstellungen aus Stein und Keramik. Inzwischen sind diese archäologischen Siedlungen als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Die Hieroglyphen lassen darauf schließen, dass diese Induskultur, neben den damaligen Kulturen in Mesopotamien (Euphrat-Tigris), dem Nil-Delta und der minoischen Kultur auf Kreta als die vierte Hochkultur der Menschheit klassifiziert werden sollte.

In der Bronzezeit, ca. Mitte des 3. Jahrtausends v.Chr. kamen die Indo-Arier („Arya“ bedeutet in Sanskrit „Edelmann, Herr“) über den Khaiber-Pass, der in Afghanistan liegt, in den Norden Indiens und besiedelten zunächst das Punjab, die Kornkammer Indiens. Diese Indo-Arier waren progressive Querdenker mit perspektivischen Visionen. Ihre Expansionsdynamik war beispiellos und basierte auf einem sprachlichen, kulturellen, sozialpolitischen und ethischen Fundament. Im Lauf der Zeit führten sie eine Art „multilaterale Konstitution“ ein, in die politische, gesellschaftliche, soziale, ökonomische und spirituelle Ordungssysteme (Dharma) eingegliedert waren.

Die Schönheit des Landes mit seinen gewaltigen Flüssen, Bergen, Wäldern, seiner mannigfaltigen Natur faszinierte sie. Nicht zuletzt der relative Wohlstand ermöglichte ihnen, sich einen Freiraum im Leben zu schaffen, um die ewigen Fragen nach dem „Woher“ und „Wohin“ stellen zu können. Die inspirierten arischen Weisen (skt. Rishis) verfassten, aus tiefem Bewusstsein, tiefer Empfindung, Wahrnehmung und Erkenntnis heraus, spirituelle Schriften (skt. Shastras/Sutras), die noch heute als Grundlage der Sanatan Dharma gelten – die sogenannten Veden.

Das Sanskritwort „Veda“ bedeutet Wissen/Erkenntnis über die ewige Weisheit, die ultimative Realität. Diese einmaligen kanonischen Schriften gliedern sich auf zwei Formen Sakraltexte, die erste Gruppe wird genannt „Shruti“ (Bedeutung: „wie gehört“) und die zweite Gruppe „Smriti“ (Bedeutung: „aus dem Gedächtnis niedergeschriebene Texte“ oder „Offenbarungen“). Die „Shrutis“ bestanden ursprünglich aus drei Veden: Rik-Veda, Sam-Veda und Yajur-Veda (aufgeteilt in Krishna-Shukla, also schwarz-weiß) – deshalb werden sie auch „Trai-dharma“, also dreiteilige Religion, genannt. Viel später kam die niedriger gestufte Atharva-Veda hinzu. Die einzelnen Veda sind in vier Hymnen-Gruppen gegliedert:

  • Die Samhitas (Sammlung von Zitaten und Hymnen)
  • Die Brahmanas (Anleitung und Regeln von Jagna)
  • Die Aranyakas (Ontologische Erläuterung von Brahma)
  • Die Upanishaden (auch Vedanta genannt): sie beinhalten die philosophische Erläuterungdesvedischen Param Brahma, also des Absoluten)

Der ursprüngliche Name des Hinduismus war „vedische Dharma“!

Kurz zu erwähnen ist, dass die vedische Samhita- und Brahmana-Teilen die Karma-Marga (Weg der Tat/Handlung) verkörpern, und dass die Aranyakas und Upanishaden die Jnana-Marga (Weg der Erkenntnis) interpretieren. Die Jaimini-Sutra-Mimansa-Darshana, also Jaiminis philosophische Lösungslogik, bezieht sich auf Karma-Marga, wogegen Vyasha-Sutra sich mit Jnana-Marga befasst.