Das Umfeld

Die politische, soziale und kulturelle Szene

Die islamische Herrschaft unter den Mogulkaisern, die trotz Unterdrückung und Reglementierung, eine gewisse Funktionalität in die Staatsordnung, Kunst, Literatur und Architektur (Taj Mahal in Agra) gebracht hatte, war nach ca. 200 Jahren nun im Zerfall begriffen. Nach Vasco da Gama (1498 ) kamen weitere Portugiesen nach Indien wie Almeida und Albuquerque. Sie richteten Stützpunkte in Goa, Daman und Dieu ein. Danach tauchten auch die Franzosen, die Niederländer und zuletzt die Engländer auf. Im Jahr 1756 gründeten die Briten die East India Company in Kalkutta (heute Kolkata) und Niederlassungen sowie Garnisonen in Madras (heute Chennai) und in Bombay (heute Mumbai) um den Subkontinent kontrollieren zu können. Der Zweck dieser Handelsgesellschaften war, die Naturschätze des Landes auszubeuten und nach Großbritannien zu exportieren. Aber dazu benötigten sie nach westlichem Muster gebildete Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen und auch Fachkräfte. Deshalb wurden nach und nach Kindergärten, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und nicht zuletzt auch zahlreiche Kirchen gebaut sowie die Infrastruktur angelegt.

Diese neue westliche „Lifestyle“ – die Sprache, die Bekleidung, die Speisen, die Konventionen und nicht zuletzt auch die Denkrichtungen, faszinierten die erstarrte hinduistische Gesellschaft, vor allem die Jugend und alle wollten nun so sein wie die Engländer! Einige konvertierten zum Christentum, um etwas Besonderes zu sein und um außergewöhnliche Erfahrung zu machen. Aber, ob Jung oder Alt, Mann oder Frau – alle erkannten, dass Bildung nach westlichem Muster grundsätzlich etwas Positives zur Gestaltung des eigenen Lebens beiträgt und dazu befähigt, den eigenen Horizont zu weiten und die phänomenale Welt tiefgründiger zu erkennen, einzuordnen und zu bewerten. Nun, auf diese Weise westlich gebildete – manche auch in England selbst, stellte man die klassisch-hinduistischen metaphysischen Abhandlungen und die hinduistische Lehre in Frage! Aber, sie wurde nicht unbedingt als etwas Phantastisches oder gar Zweifelhaftes abgetan, sondern es entwickelte sich eine neue fundamentale Exegetik im Lichte des westlichen Denkhorizonts. Die bis dahin bekannten kontextspezifischen Begriffe, Bilder, Leitlinien und Prinzipien etc. befanden sich angesichts des neuen kritischen Bewusstseins in einer Metamorphose! Die neue Aristokratie des Geistes führte zu der Einsamkeit „des aufrechten Gangs“ und brachte neue „Sub-Religionen“ wie die „Brahmo-Samaj-Bewegung“ hervor!

Die sich neu herausbildenden Gesellschaften stellten fest, dass ein dumpfer Glaube nur Ausdruck eines defizitären Zustands des Geistes ist!

In dieser gesellschaftlichen Umbruchsituation lebte und predigte Shri Ramakrishna Paramhansadev!