Sukzessive Divinitäts-Exposition von Nimai

(Die schrittweise Enthüllung von Nimais Göttlichkeit)

Gadadhar ist Nimai ergeben. Er macht Nimai praktisch Tag und Nacht seine Aufwartung. Zum Beispiel richtet er Nimais Bett, bereitet für ihn die Betelblätter (bengl. Pan) vor, wedelte ihm mit dem Fächer Luft zu und schläft auch neben seinen Füßen am Boden. Gadadhar trägt einen sehnlichen Wunsch im Herzen, die Initiation in die Krishna-Liebe erteilt durch Nimai persönlich. Aber er war zu schüchtern, um Nimai persönlich darauf anzusprechen. Bei Anbruch der Nacht, als Nimai sich nach dem Ende der Kirtana-Feierlichkeiten hingelegt hatte, berührte Gadadhar Nimais Fuß und fing an zu weinen. Nach dem Grund gefragt sagte er „So viele Menschen haben „Erlösung“ erfahren, nur ich bleibe davon ausgeschlossen!“

Da lachte Nimai und sagte tröstend: „Diesen Segen wirst du auch empfangen. Morgen, wenn du im Ganges badest, wirst du beseelt sein von Krishnas-Liebe.“ Voller Erwartung ging Gadadhar in den frühen Morgenstunden zum Baden.

„… Die versammelten Verehrer im Hause Nimai sahen dann, wie Gadadhar ihnen voller Freude, taumelnd und weinend entgegenkam und schließlich Nimai zu Füßen fiel. Schmunzelnd fragte er: „Na, hast du sie bekommen Gadadhar?“ Aber überwältigt von seinem Erlebnis konnte dieser nicht sprechen…“

(vide: Chaitanyamangal 6/11)

Sri Advayta ist bereits vorgestellt worden. Er war der Vorstand der Vaishnavas ( Krishna-Verehrer)- Gemeinde. Während der Versammlung in seinem Haus wurden einschlägige Bücher gelesen, besprochen und rezitiert. Plötzlich sprach jemand von Nimai und sagte „Nimai, der nicht nur ein stolzer, überragender Gelehrter ist, sondern ehemals auch die Krishna-Verehrung verspottete, ist heute so bescheiden, unterwürfig und demütig. Seine Liebe gegenüber Krishna erinnert an die von Sukhdeva oder Prahlada (mythologische Figuren!)

Daraufhin sagte Sri Advayta mit belegter Stimme „Nachdem ich einer Strophe aus Bhagavad-Gita nicht folgen konnte, habe ich gestern voller Trauer gefastet und bin dann eingeschlafen.

Tief in der Nacht, im Traum, rief mich jemand und flüsterte: Acharya, steh auf der Vers bedeutet dies,hier … das ist die Bedeutung des Verses. Warum bist du so traurig? Deine Sehnsucht geht in Erfüllung. Ich erscheine jetzt vor dir persönlich.

Nachdem ich die Augen geöffnet hatte, sah ich Bischwambar (Nimai) vor mir stehen. Ganz allmählich verschwand sein Bild. Ich bin ein Diener Krishnas und habe ein Leben lang mit der Meditation über ihn verbracht. Wenn er wirklich in dieser Welt erscheint, wird er mich sicherlich besuchen. Ich bin zuversichtlich!“

Sri Advayta war mehr als 70 Jahre alt und voller Trauer wiederholte er, dass unsere Bekehrung nur durch Krishna selbst möglich ist. Voller Vertrauen sagte er „Bruder, sei still, er wird mit Sicherheit bald erscheinen und ihr werdet Augenzeuge sein.“

Ein seit Langem praktizierender Asket namens Shuklambar Brahmachari lebte unweit des Gangesufers. Er kannte Nimai seit seiner Kindheit und betrachtete ihn als eigenen Sohn. Aufgrund seiner spirituellen Übungspraxis und seiner zahlreichen Besuche von Pilgerstätten, war er sehr stolz und von seiner Eignung als Empfänger von Krishnas Gnade sehr überzeugt. Als Bettelmönch kam er Nimai besuchen, dabei trug er in seinem Schulters-Sack (bengl. Jhuli) etwas ungeschälten Bruchreis und Tabak und forderte vehement seine Initiation.

Als Antwort erwiderte Nimai:

„Kin Tatra Santi Nä Srigalcheuastatah Kim…..“

(vide: Chaitanya Charitamrita 6/8)

Kurz:

In den Pilgerorten Darabati, Madhupura, zur Belohnung bist du keinem Hund oder Fuchs begegnet?

Die Bedeutung dieser Worte verstand Shuklambar Brahmachari:

Ein Bergsee entsteht nicht auf der Bergspitze.“ Seine Überheblichkeit und anmaßende Selbstüberschätzung wurde ihm sofort klar. Weinend fiel er zu Boden. Nimai verzieh ihm wie immer voller Mitleid. Und erteilte ihm die Krishna-Prem-Initiation. Dann nahm er etwas Reis aus dem Sack und fing an zu kauen.

An einem Vormittag etwa Ende April, Anfang Mai saß Sribash im Gebetsraum vor dem Altar, versunken in Meditation. Plötzlich klopfte jemand an die Tür und rief, Sribash, mach bitte schnell die Tür auf“. In seiner Meditation gestört fragte Sribash „Wer ist da?“ Die Stimme antwortete, „Die Erfüllung deiner Sehnsucht.“

Verärgert aber auch neugierig machte Sribash die Tür auf. Nimai kam herein, schob die Vishnu Symbole auf dem Altar zur Seite und nahm selbst dort Platz.

Sribash war nicht nur erstaunt, sondern auch verblüfft, denn er sah, dass Nimai zwar äußerlich unverändert war, aber sein Körper strahlte ein seltsames gleißendes Licht aus. Ihm verschlug es die Sprache.

Dann sagte Nimai: „Sribash, ich bin erschienen, bereite jetzt das Reinigungsritual (bengl. Abhishek) vor“

Unterdem Eindruck von Nimais Anblick, verstand Sribash das Wort „Ich bin“ so, als beziehe es sich auf Sri Krishna persönlich. Dieser saß gerade vor ihm. Gott war für ihn in diesem Augenblick als Person anwesend! War das überhaupt möglich?

Sicher eine selbst induzierte Illusion. Ich träume! Aber die strahlende Figur vor mir, wer ist sie denn? Gott ist doch mit dem Geist und den Sinnen nicht wahrnehmbar. Sribash befand sich mitten in einem heftigen Strudel aus Erlebnis, Eindrücken und Emotionen.

Als er sich etwas erholt hatte, erinnerte er sich an den Auftrag zur „Abhishek-Zeremonie“. Schreiend lief er hinaus und rief seine vier Brüder, dessen Ehefrauen und Bediensteten zusammen und verkündete voller Überzeugung: „Krishna ist eben erschienen, wir müssen unverzüglich mit der „Abhishek-Zeremonie“ beginnen. Besorgt bitte 100 Krüge voll mit Wasser aus dem Ganges. Die Botschaft traf die Anwesenden wie ein Blitzschlag. Berauscht liefen sie alle zum Ganges, weinend, zitternd und voller ekstatischer Freude.

(vide: Chandra-Udaya Drama 18/22)

Über einhundert Krüge mit Ganges-Wasser lagerten nun auf dem umzäunten Gelände vor Sribashs Haus. Dann verließ Nimai den Schrein und nahm mitten im Hof auf einer breiten Holzpritsche (bengl. Pinri) Platz. Inzwischen hatte sich in einschlägigen Kreisen die unglaubliche Nachricht von der Manifestation Sri Krishnas im Körper von Nimai, wie ein Lauffeuer verbreitet.

Daraufhin liefen Gadadhar, Mukunda Mitra, Murari, Shadasiv und zahlreiche andere Gläubiger auf den Platz. Die versammelten Damen und Herren – seelisch erschüttert, emotional tief bewegt, zitternd und weinend – griffen sich die Krüge und schütteten das Wasser über Nimais Kopf. Anschließend trockneten sie seinen Körper mit weißen Tüchern und voller liebender Ehrfurcht wurde er in ein seidenes Gewand gekleidet. Nimai ging zurück in den Gebetsraum und nahm Platz auf dem Altar. Zuvor schloss er die Tür. Die Menschen die draußen standen erlebten wie Ihnen durch das Fenster und die Türritze das ganze Farbspektrum des Lichts entgegenschlug.

„…aprapyabasherammushya…:“

(vide: Chaitanya Charitamrita 5/50)

Man hörte eine betörend schöne Melodie, gespielt auf der Flöte. Es schien als käme diese Klangfülle etwa aus der Mitte des Hauses. Nimai rief Sribash!“ Mit einer solchen Stimme hatte er Sribash bis jetzt noch nicht gerufen! Als Sribash eintrat,, sagte Nimai „Sribash, ich möchte die Audienz in deinem Wohnzimmer fortsetzen, arrangiere es entsprechend.“ Dann verließ er den Altar und nahm auf dem Sitztuch (bengl. Ashan) am Boden Platz.

Sribash bat Gadadhar, den Altar ins Wohnzimmer zu bringen.

Sribashs Brüder schmückten das Zimmer mit einem Baldachin und bedeckten den Altar mit blütenweißen Bezügen. Nimai verließ den Gebetsraum, ging ins Wohnzimmer und nahm Platz auf dem Altar. Dabei sahen die zahlreich anwesenden Menschen, dass Nimai von unzähligen Lichtern umgeben war und die Leuchtkraft sogar das gleissende Licht der Sommersonne übertraf. Aber die seltsame Helligkeit strahlte sowohl eine angenehme Kühle wie auch ein bezauberndes Farbspektrum aus. Faszinierend und berauschend für die Augen und den Geist zugleich.

Gauranga Stadatha Greehang…“

(vide: Chaitanya Charitamrita 5/57)

Gadadhar bestrich Nimais Körper und Gesicht mit Aguru (Parfum) und Chandan (Paste aus Sandelbaumrinde) und schmückte seinen Hals, die Oberarme, Unterarme, Finger und Füße mit Blumengirlanden. Einige Verehrer wedelten mit dem Fächer oder rezitierten elegische Hymnen oder betrachteten mit tiefer Freude Nimais Antlitz .

Als viele Menschen mit einem Herzen voller Liebe und Demut in seinem Dienste waren, äußerte Nimai „Habt ihr erkannt, wer ich wohl bin?

Ich bin gekommen um die Menschen hier vor Leid und Elend zu bewahren. Dieses Mal werde ich keine Rechenschaft verlangen, sondern nur Liebe und Hingabe offenbaren. Habt keine Angst. Kein Muslim-Herrscher wird in der Lage sein, euch Leid zuzufügen. Falls ich den Sultan treffe, würde ich ihn nicht bestrafen, sondern ihn durch die Verschmelzung seines Herzens mit der Liebe reinigen.“

Dann rief er nach Narayani, der kleinen Tochter von Sribashs Bruder. Als sie eintrat, sagte Nimai „Narayani, durch meinen Segen empfängst du augenblicklich das Krishna-Liebe-Bewusstsein.“

Mit dem Schrei „Ha Krishna“ sank das Mädchen zu Boden und begann zu weinen und zu rufen „Krishna, Krishna“.

Schmunzelnd äußerte Nimai „Würde ich den Sultan treffen,würde genau das selbe geschehen. Aber von diesem Glück ist er viel zu weit entfernt.“

Zeugen dieses Mysteriums waren die bekannten Verehrer. Sie waren praktisch ohne logischen Verstand, nicht in der Lage zu erkennen, wer sie waren und wo sie waren. Es war die Explosion ins Innere des erhabenen Kosmos Mensch. Von unermesslich tiefem-Frieden und einer die Sinne betörenden Freude umhüllt, jenseits von Traum und Wirklichkeit.

Die versammelten Frauen baten Srikanta, den jüngsten Bruder von Sribash, um Einlass ins Wohnzimmer, um Nimais Herrlichkeit zu erleben.

Nimai hat diese Bitte längst gehört und rief sofort „Alle, die mich aus ernsthaftem Wunsche besuchen wollen, mögen hereinkommen. Bitte treten Sie ein und sehen Sie mich an“ Die Frauen traten ein und verbeugten sich vor dem Altar und Nimai berührte die Häupter mit seinen Füßen. Er segnete die Frauen mit den Worten „Empfanget mich in eurer Seele.“

„Abishya Prakatita sath Prakasha Ramang …“ usw.

(vide: Chaitanya Charitamrita 5/72 und 73)

Nach einer Weile erhob sich Nimai auf dem Altar und sagte, „Ich entferne mich nun. In angemessener Zeit kehre ich wieder zurück“ Dann, mit einem Schrei fiel er zu Boden und wurde bewusstlos. Sribash, Gadadhar und die anderen die in der Nähe standen waren geschockt und stellten fest, dass kaum ein Lebenszeichen zu erkennen war. Außerdem sah er plötzlich wieder aus wie alle anderen. Keinerlei Zeichen und Ausdruck von göttlicher Anmut oder des betörenden Lichts.

Kurze Zeit später kam Nimai zu sich und fragte Sribash „Pandit, wie kam ich hierher? Bin ich etwa eingeschlafen? Vielleicht habe ich geträumt. Bitte sag mir, ob ich euch beunruhigt habe…“

Dann schritt er davon in Richtung seines Hauses. Am nächsten Morgen begegneten ihm die Verehrer wieder, aber Nimai war wie immer bescheiden, demütig und vernarrt in die Krishna-Liebe!

Wir kennen Murai Gupta, den berühmten Verfasser der Tagesprotokolle von Nimai. Seinerzeit war er ein Mitschüler von Nimai gewesen. Die beiden hatten immer kontrovers diskutiert über einschlägige Themenbereiche. Murari war eine liebevolle, herzliche, altruistische Person und auch ein angesehener Gelehrter. Jetzt hatte er sich vollkommen ergeben in den Dienst Nimais gestellt.. Er berichtet:
„Nimais helle, beeindruckende Gestalt werde transparent wie Glas. Denn alles, was man in ein Glasgefäß hineingibt, ist sichtbar von außen. In der Versammlung wenn Hymnen von Brahma gesungen wurden, nahm Nimai die spezifische Haltung von Brahma ein, kniete zu Boden und verbeugte sich vor Sri Krishna. Wenn ein Shiva-Mantra sein Gehör erreichte, sah man wie sich die bekannten Eigenschaften von Shiva auf seinem Gesicht und Körper abzeichneten. “

Eines Tages hörte Nimai die Hymnen von „Baraha-Avatara“ (gemäß hinduistischer Mythologie, die dritte Inkarnation von Vishnu!) im Hause von Sribash. Sofort verließ er den Ort mit lautem Schrei, lief in das Haus von Murari. Ohne diesen zu grüßen oder ihn gar anzublicken, ging er sofort in den Altarraum. Murari folgte ihm, blieb vor dem Altarraum stehen und beobachtete was geschah..

Nimai rief aus dem Raum „Was ist das!“ Das ist doch ein Bär, so riesig wie ein Berg. Er ist so stark, dass er die Welt mit den Zähnen trägt. Er berührt mein Herz mit seinen riesigen Zähnen und ich empfinde dabei Schmerz“. Um dem Bären – für Murari absolut virtuell – zu entkommen, bewegte sich Nimai dann rückwärts, benommen fiel er zu Boden und bewegte sich dann vorwärts auf allen Vieren wie ein Bär, hob mit den Zähnen einen großen schweren Wasserbehälter aus Messing hoch und schleuderte ihn weit weg. Er sah aus als, wäre er Mensch und Bär, zugleich. Murari stand immer noch eingeschüchtert und regungslos da. Plötzlich brüllte die Gestalt: „Murari, ich bin gekommen, um den Menschen „Dharma“ (spirituelle Grundsätze) und Hingabe zu demonstrieren und sie darin zu unterrichten.

Hab keine Angst. Beschreibe meine natürlichen Eigenschaften für die Nachwelt wie eine Girlande.“

Murari war außerstande zu sprechen. In Anbetracht seines Zustandes äußerte sich die seltsame Gestalt erneut „Murari sei gewiss, du bist mein Favorit. Jedoch befolgst du die vedische-Auslegung sehr ernsthaft! Aber die vedischen Konfabulationen sind einfältig. Woher sollen die vedantischen Schriften die inhärenten ontologischen Prinzipien von mir wissen und sie erkennen?“ Dann sagte er leicht erbost, „Prakashananda Swaraswati ist acharya (=Veda/Vedanta Lehrer) in Benares. Mit seiner Belehrung und Verbreitung von abwegigen Vedanta-Thesen zerreißt er meinen Körper in Stücken. Murari, nimm Abstand von solch atheistischer Konkordanz.“

Allmählich kam Murari wieder zu sich und erwiderte „Herr, unzählige Universen befinden sich in jeder deiner Haarwurzeln. Wie können die Veden und Vedanten dich kennen und gar beschreiben. Nur du weißt, wer du bist. Was ich weiß ist nur so viel!“ Dann fiel er Nimai zu Fußen und fing an zu weinen.

Mit lautem Schrei landete der Mensch-Bär am Boden und verlor das Bewusstsein. Nachdem Murari dessen Gesicht mit Wasser besprühte hatte, kam Nimai wieder zu sich und fragte mit schlaftrunkener Stimme: „Murari, war ich wieder außer mir? Wie kam ich denn sonst hierher? Ich war doch im Hause von Sribash und lauschte den Hymnen von Avataren (=göttliche Inkarnationen). Hoffentlich habe ich mich nicht lächerlich gemacht.

Murari sagte nichts und senkte seinen Kopf.

(vide: Murari Guptas „Karcha“ 235/236 ff.)

Die Manifestation von Nimais Befindlichkeits war jetzt von Dualität geprägt – tiefe Ergebenheit einerseits und göttliches Betragen andererseits. Die bemerkenswerte Episode in dem Haus von Sribash war der Anfang von seiner Divinitäts-Exposition. Im normalen Zustand verhielt sich Nimai wie ein Diener, er zeigte sich geringer als gering, demütig und als der minderwertigste Mensch der Welt. Mit ergriffener Stimme und Tränen in den Augen lief er von einem zum anderen und bettelte um „Krishna-Liebe“ und sagte beispielsweise, „Ihr seid Diener von Sri Krishna, rette mein Leben und verrate mir, wie ich die „Krishna-Liebe erfahren und erleben kann.“